DAS QUARTAL 1.2017 - page 18

DAS QUARTAL 1.17
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Themen im Fokus
D
igitale Pioniere können Traditionalisten
sein. Erst verkaufte Petra Behounek in
ihrem Onlineshop
anspruchsvolle Spielwaren, Wohntextilien,
Geschenkartikel und Kinderbücher, dann
eröffnete sie einen Laden in Ebersberg bei
München.„SowollenwirKundennochumfas-
sender beraten und betreuen, was ambesten
im klassischen Laden funktioniert“, sagt die
Unternehmerin. Die Kanäle ergänzen sich.
Über denOnlineshop, ihr digitalesWerbe- und
Aushängeschild, spricht sie neue Kunden an,
das Geschäft eignet sich eher zur Beratung:
„Zudem kommen viele Leute, um sich in-
spirieren zu lassen.“
VIELE MAILS KLINGEN UNHÖFLICH
Der alten Schule fühlt Behounek sich auch
bei der Kommunikation verpflichtet. Für sie
stehen Höflichkeit und Freundlichkeit im
Kundenkontakt an erster Stelle, im direkten
Gespräch wie beim Mailen, Chatten oder
Twittern. Sie lässt in elektronischen Nach-
richten jene Sorgfalt walten, die sie auch
von anderen erwartet – und wird neuerdings
häufig enttäuscht. „Viele Menschen achten
nicht mehr darauf, ob der Inhalt für den Em-
pfänger verständlich ist“, bedauert sie. Eini-
ge Mails muss sie mehrfach lesen, weil auf
Punkt und Komma verzichtet wird oder die
Regeln zur Groß- und Kleinschreibung kaum
Beachtung finden. „Andere kommen ohne An-
rede, es heißt etwa nur ‚Wo bleibt die Ware?‘“
Dann entschuldigt Behounek sich für die Ver-
spätung, antwortet höflich und schluckt ihren
Ärger über den unfreundlichen Ton herunter.
Für ihr Unternehmen hat sie eine klare Etikette
zum Schreiben sowie Verschicken von Mails
vorgegeben: „Nie ohne angemessene Anrede,
nie ohne sie vorab nochmal gelesen zu haben,
nie ohne sie auf Fehler zu prüfen – das sind
unsere Grundsätze“, betont die Firmenchefin.
„Wir behandeln den Empfängermit derselben
Achtsamkeit, die wir für uns erwarten.“
GERINGE SORGFALT IST VERBREITET
Den Trend zu weniger Sorgfalt bestätigt
Jürgen Plate, Professor für Elektrotechnik
und Informationstechnik an der Hochschule
für angewandteWissenschaften inMünchen.
Vor allem Empfänger, Anliegen und Anlass
scheinen zu beeinflussen, wie genau und
höflich formuliert wird. „Eine informelle Mail
zwischen Kollegen ist eher für fehlende
Sorgfalt anfällig als die von Vertrieblern an
ihre Kunden“, hat Plate beobachtet. Die Ver-
breitung von Mobilgeräten, mit denen jeder-
zeit eine Nachricht verfasst werden kann,
hat auch Einfluss. Wird in einer turbulenten
Umgebung hektisch auf den Touchscreen ge-
tippt, bleibt der gute Ton ebenso rasch auf
der Stecke wie die Rechtschreibung. Viele
Absender verwenden etwa nur Kleinbuch-
staben, da das Zeit spare. Bedenklich findet
Plate die Haltung dahinter: „Um selbst effi-
zient zu sein, mutet man den anderen mehr
Zeitbedarf beim Lesen zu.“ Zudem sickern
Fehler aus demangelsächsischen Sprachge-
brauch ein. Aus Netzstecker wird etwa „Netz
Stecker“. Beim Chatten kommt hinzu, dass
nur kurze Textemöglich sind. „Da schlägt der
Abkürzungsfimmel knallhart zu, manchmal
bis zur Unkenntlichkeit oder bis zu einer neu-
en Art von Geheimschrift“, weiß Plate.
SO WERDEN AUFTRÄGE GEFÄHRDET
Bei geschäftlicher Korrespondenz können
Unachtsamkeiten und Marotten gravieren-
de Folgen haben. „Schlampige Mails führen
rasch zu einem generellen Zweifel an der
Kompetenz des Gegenübers – und damit ge-
hen eventuell Abschlüsse den Bach runter“,
warnt der Experte. Er empfiehlt, eine Mail-
etikette im Unternehmen einzuführen. Die
sollte nicht nur Rechtschreibung oder Höf-
lichkeit beim Verfassen einer Mail betreffen,
sondern generell den Umgang mit elektro-
nischen Nachrichten, sagt Drachenstube-
Inhaberin Behounek: „Bei Besprechungen
mit Kunden, Mitarbeitern oder Geschäfts-
partnern surfen wir nicht im Internet
und tippen keine Botschaften ins Handy,
sondern hören zu.“
Auch für Mails an die eigenen Mitarbeiter
sollten klare Regeln und Einschränkungen
gelten. Erhalten die nämlich nachts oder
am Wochenende eine Nachricht, baut das
unnötigen Druck auf. Sie fühlen sich ver-
pflichtet, sofort zu reagieren, und kommen
so nicht mehr zur Erholung. Dabei stellt
sich überdies die Frage, ob die rasche Ant-
wort über Nacht auch immer die richtige ist.
Der Firmenchef kann arbeiten, wann es ihm
am besten passt. Dabei produzierte Mails
sollte er aber am Morgen des nächsten
Werktags senden und nur in extrem drin-
genden Fällen eine Ausnahme machen.
Sparsam genutzt werden sollte auch die
„CC“-Funktion, die andere über eine Mail
informiert. Das verursacht oft sinnlosen
Mehraufwand, weil eigentlich nicht Betrof-
fene die Nachricht lesen müssen. Wichtig
ist vor allem, Mails mit einer eindeutigen
Betreffzeile zu versehen und so klar zu for-
mulieren, dass der Empfänger sie versteht.
EINE KLARE MAIL-ETIKETTE HILFT
Sorgfalt im Umgang mit Mails hinterlässt
einen kompetenten Eindruck, erlaubt ein
zeitsparendes, weil nachvollziehbares
Informationsmanagement und hilft, Kun-
den zu halten. Wie schnell sich dagegen
eine unbedachte Mail zum Bumerang ent-
wickelt, erlebte Thomas Huber. Der In-
haber eines Elektrogeschäfts in der Nähe
von Nürnberg, der eigentlich anders heißt,
hatte einem Interessenten ein Angebot zur
Verkabelung einer Wohnanlage gemailt:
„Es ging um einen großen Auftrag, den wir
gerne übernommen hätten.“ Auf Bitten des
Noch-nicht-Kunden schickte er eine zweite,
äußerst knappe Kalkulation. Als der Anfra-
ger in einer weiteren Mail darlegte, dass ihm
der Preis immer noch nicht passe, platzte
Hubers Vertriebsmitarbeiter der Kragen –
und er hämmerte umgehend seine Wut in
die Tastatur. Man sei kein Billigheimer, der,
wie der Anfrager selbst, mit Dumpingprei-
sen arbeite, sondern ein Anbieter zuverläs-
siger Qualitätsarbeit … Danach war erst mal
Sendepause. Es kostete Firmenchef Huber
viele Stunden am Telefon und eine außer-
ordentliche Sensibilität, die Wogen zu glät-
ten. „Aber ich habe es geschafft, wir beka-
men den Auftrag zu nachgebesserten Kon-
ditionen“, freut sich der Unternehmer. Was
er daraus gelernt hat: Mit allen Mitarbeitern
entwickelte er eine Mail-Etikette. Regel
Nummer eins: Schreibe nie imAffekt zurück,
sondern lasse erst den Ärger abklingen –
und sende dann eine wohlüberlegte Antwort!
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer
Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG,
Nürnberg, Ausgabe 01/2017
Mail-Etikette:
stets höflich und freundlich
Immer mehr Inhaber kleiner und mittlerer Firmen entwickeln mit ihren
Mitarbeitern eine E-Mail- und Mobility-Etikette. Ein sehr sinnvoller
Schritt, urteilen IT-Experten.
Text: Monika Hofmann
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