DAS QUARTAL 1.2017 - page 13

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eter Röhm setzt auf Risikostreuung –
daher verteilen sich die Informationen zu
Websites oder Accounts seiner Firma sowie
denPasswörternaufmehrereMitarbeiter. „Sie
sind imständigenZugriff der Administratoren
und dokumentiert, Zugangsrechte haben
wir genau definiert“, so der Geschäftsführer
der RöhmTypofactory Marketing GmbH im
württembergischen Sindelfingen, die rund
30 Mitarbeiter zählt und zum Röhm Verlag
gehört. So bleibt der Betrieb handlungsfähig,
falls zentrale Funktionsträger oder der Chef
nicht verfügbar sind: „Mit etwas Einarbeitung
kann jeder Nachfolger übernehmen.“ Für die
drei Unternehmen der Röhm-Firmengruppe
ist die IT überlebenswichtig und hat höchste
Priorität. Auch für den Fall, dass er selbst
ausfällt und jemandZugriff auf sensibleDaten
privater oder geschäftlicher Natur benötigt,
umdenLadenamLaufenzuhalten, hat Röhm
vorgesorgt. Er wählte die Familienvariante:
„Wir sind drei geschäftsführende Brüder, die
eng zusammenarbeiten, da weiß jeder, was
im Notfall zu tun ist.“
Viele Unternehmer setzen auf Digitalisie-
rung. Sie vertreiben Produkte imWebshop,
bestellen Zubehör online, suchen Personal
via Xing, schalten Werbung bei Google,
nutzen E-Banking. In der Regel erleichtert
und beschleunigt dies die Arbeit. Doch es
kann sie erschweren und verlangsamen –
wenn entscheidende Träger des digitalen
Know-hows im Betrieb, allen voran der
Firmenchef, länger ausfallen und es dafür
keinen Plan B gibt. Plötzlich ist der Zugriff
auf Firmenaccounts beim Internetprovi-
der verwehrt: Die Website lässt sich nicht
aktualisieren, der Facebook-Auftritt nicht
bearbeiten, kein Geld überweisen.
Trotz dieser Risiken scheint der „digitale
Notfallkoffer“ bei vielen Unternehmern
noch nicht populär zu sein, hat Mario Mar-
tini beobachtet. „Das mag damit zusam-
menhängen, dass Internetnutzer generell
nur selten ihr sogenanntes digitales Erbe
organisieren, also festlegen, wer nach ih-
rem Tod auf Accounts, elektronische Daten
und Vertragsbeziehungen zugreifen darf
und was damit geschehen soll“, so der
Professor für Verwaltungswissenschaft,
Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Euro-
parecht an der Uni Speyer.
GESETZLICHE REGELUNGEN FEHLEN
Immerhin 93 Prozent der Internetnutzer
haben nach einer Studie des Branchenver-
bands BITKOM ihren digitalen Nachlass
nicht geregelt. „Bei kleinen Unternehmen,
wo viele Dinge ausschließlich Chefsache
sind, kann es fatale Folgen haben, wenn
beispielsweise nicht festgelegt ist, wer
beim Tod des Firmenchefs die Zugriffs-
rechte für dessen Accounts, Smartphone
und seine Mails besitzt“, warnt Martini.
Schnell gehen etwa Aufträge verloren, weil
Fristen dann nicht eingehalten werden.
Zusätzlich erschwert wird der Zugriff von
Dritten auf das digitale Erbe eines Unter-
nehmens durch die unklare rechtliche Si-
tuation, denn es fehlt hier an eindeutigen
Regelungen für den Umgang mit Zugangs-
daten zu Accounts sowie den dort gespei-
cherten Daten. „Was die Vermögenswerte
betrifft, ist offline wie online klar geregelt,
dass sie auf die Erben übergehen“, erklärt
Martini, der sich seit Langem intensiv mit
dem Thema beschäftigt. „Schwierig wird es,
wenn persönlichkeitsrelevante Teile des di-
gitalen Nachlasses betroffen sind, etwa rein
private E-Mails ohne Vermögensbezug.“ Der
Bundesverband mittelständische Wirtschaft
(BVMW) in Berlin warnt mit Blick auf den E-
Mail-Account, dass eine rein erbrechtliche
Einordnung mit dem Fernmeldegeheimnis
kollidiere und das postmortale Persönlich-
keitsrecht nicht auf die Erben übergehe.
ACCOUNTS WERDEN HERRENLOS
Auch für das Löschen von digitalen Spu-
ren fehlen eindeutige und verbindliche
Vorschriften. Grundsätzlich müsste kein
Internetdienst den Erben den Zugang zu
einem Konto gewähren, selbst wenn die-
se einen Erbschein und die Sterbeurkunde
vorlegen. Manche Anbieter löschen Konten,
wenn diese eine gewisse Zeit inaktiv gewe-
sen sind und sich kein Erbe meldet.
Andere versetzten den Account in einen
Gedenkstatus. Mittlerweile gibt es sogar
Dienstleister, die den digitalen Nachlass
regeln. „Doch dieser Service ist zum einen
häufig kostenpflichtig“, betont Martini.
„Zum anderen erhalten die Nachlassver-
walter damit Zugriff auf höchst sensible
persönliche Daten.“ Er empfiehlt Unter-
nehmern deshalb, lieber rechtzeitig vorzu-
sorgen: Geräte sowie Accounts auflisten,
Passwörter notieren, Zugriffsrechte defi-
nieren, eventuell eine Vertrauensperson mit
entsprechenden Vollmachten ausstatten.
„Am besten aufgehoben sind die Doku-
mente im Safe beim Testament oder bei
einem Notar oder Rechtsanwalt.“ Es muss
aber beachtet werden, dass Passwörter
aus Sicherheitsgründen alle paar Monate
zu ändern sind und dass jede Änderung
in den Nachlassunterlagen entsprechend
aktualisiert werden muss.
„Eine andere Möglichkeit ist, Unterlagen
beim Steuerberater zu hinterlegen, weil
er gerade bei kleinen Betrieben ein enger
Vertrauter ist, der ohnehin oft konsultiert
wird“, so Roland Kleemann, Präsident der
Steuerberaterkammer Berlin. Aus der Pra-
xis weiß er, was fehlende Weitsicht eines
Firmenchefs im Umgang mit dem digitalen
Nachlass anrichten kann. „Weil nach dem
Tod des Inhabers keiner auf seine Accounts
und Daten zugreifen konnte, wurde schon
die Abwicklung von Betrieben unnötig ver-
zögert.“ Darunter leiden auch die Mitarbei-
ter. Kleemann rät, Checklisten zu erstellen
und sie abzuarbeiten sowie regelmäßig zu
aktualisieren. „Manche Verlage bieten für
diesen Fall auch hilfreiche Vordrucke.“
KLARE VERFÜGUNGEN SIND WICHTIG
Simon Huck hat einen Vordruck für private
Zwecke genutzt und mit dem Testament
hinterlegt. Geschäftlich muss der Chef der
Münchner E-Commerce-Agentur Cyberday
GmbH ohnehin vorsorgen. „Unsere Com-
pliance-Vorgaben erfordern ein striktes
Passwortmanagement.“ Seit einem Jahr
hat Huck zudem einen Mitgeschäftsführer.
Handlungsfähigkeit und Fortbestand der
Firma, die 15 Mitarbeiter zählt, sind damit
nicht mehr nur an seine Person geknüpft.
Mit der Neugestaltung der Geschäftsfüh-
rung hat Huck alle privaten Daten aus Ge-
schäftscomputer und Dienst-Smartphone
verbannt. Aus eigener Erfahrung rät er dies
jedemUnternehmer, der seine Geräte beruf-
lich wie privat nutzt: „Wer hier strikt nach
privatem und geschäftlichem Gebrauch
trennt, kann seinen digitalen Nachlass viel
einfacher regeln.“
Digitaler Nachlass –
gut geordnet, sicher verwahrt
Im Zeitalter von Internet, Cloud-Computing und Co. sollte für jedes Unternehmen
neben dem üblichen auch ein digitaler Notfallkoffer gepackt werden. Wenn der
Firmenchef dann ausfällt, bleibt sein Unternehmen trotzdem handlungsfähig.
Text: Harald Klein
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer
Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG,
Nürnberg, Ausgabe 01/2017
DAS QUARTAL 1.17
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