DAS QUARTAL 4.2016 - page 20

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it Urteil vom 17. Dezember 2014
hat der Erste Senat des Bundesver-
fassungsgerichts §§ 13a und 13b und § 19
Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ undSchenkung-
steuergesetzes (ErbStG) für verfassungs-
widrig erklärt. Die Vorschriften waren zu-
nächst weiter anwendbar. Der Gesetzgeber
musste bis zum 30. Juni 2016 eine Neu-
regelung treffen. Über den aktuellen Stand
der Entwicklungen informiert dieser Artikel.
Unsicherheit über Besteuerungsfolgen
Ab dem 1. Juli 2016 herrschte Unsicher-
heit über die Besteuerungsfolgen: Die Über-
gangsfrist, dass bis zum 30. Juni 2016 eine
Neuregelung zu treffen ist, ist abgelaufen.
Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass
die Erbschaftsteuer wie bisher zu veran-
lagen ist. Sie hat in einem koordinierten
Ländererlass vom 21. Juni 2016 die Finanz-
ämter angewiesen, die Erbschaftsteuer wie
bisher zu veranlagen.
Am 24. Juni 2016 hat der Bundestag die
Reform der Erbschaft- und Schenkung-
steuer beschlossen. Hiernach soll die Neu-
regelung rückwirkend für Erwerbsvorgänge
ab dem 1.7.2016 zur Anwendung kommen.
Die Verfassungsmäßigkeit dieser Rück-
wirkung wird jedoch schon jetzt diskutiert.
Nachdem der Bundesrat am 8. Juli 2016
den Vermittlungsausschuss angerufen
hatte, hat dieser seine Beratungen auf Ende
September 2016 vertagt.
Innerhalb einer Pressemitteilung vom
14. Juli 2016 hatte das Bundesverfas-
sungsgericht sogar mitgeteilt, dass es
sich nach Ablauf der gesetzten Frist zur
Neu-regelung erneut mit der Erbschaftsteu-
er befassen wird. In der Pressemitteilung
heißt es ausdrücklich:
„Zwar gelten die für verfassungswidrig
erklärten Vorschriften des Erbschaft-
steuer- und Schenkungsteuergesetzes fort.
Da eine entsprechende Gesetzesänderung
bis heute nicht vorliegt, hat der Vorsitzen-
de des Ersten Senats des Bundesverfas-
sungsgerichts, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof,
nunmehr mit Schreiben an die Bundesre-
gierung, den Bundestag und den Bundesrat
vom 12. Juli 2016 mitgeteilt, dass der Erste
Senat sich nach der Sommerpause Ende
September mit dem weiteren Vorgehen
im Normenkontrollverfahren um das Erb-
schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
befassen wird.“
Bund und Länder haben sich schließlich
doch auf einen Kompromiss zur Reform
der Erbschaftsteuer einigen können. Am
21.9.2016 wurde im Vermittlungsaus-
schuss eine Einigung bezüglich der neuen
Regeln zur steuerlichen Begünstigung von
Firmenerben erzielt. Diese werden auch
weiterhin vom Fiskus verschont, wenn sie
das Unternehmen längere Zeit fortführen
und Arbeitsplätze erhalten. Dem Vorschlag
müssen nun noch der Bundestag und der
Bundesrat zustimmen.
Umstrittene Verschonungsregeln
Das Bundesverfassungsgericht hatte in
seinem Urteil insbesondere die Verscho-
nungsregeln für Betriebsvermögen als zu
weitgehend betrachtet. Die umstrittenen
Kernpunkte der Erbschaftsteuerreform
beziehen sich nach den Agenturen dpa
und Reuters insbesondere auf folgende
Verschonungsregeln:
• Großvermögen: Ab Betriebsvermögen
von 26 Millionen Euro je Erbfall soll es
eine „Bedürfnisprüfung“ geben. Der Erbe
muss nachweisen, dass ihn die Zahlung
der Erbschaftsteuer finanziell über-
fordern würde. Unterhalb der Grenzen
werden weiter Steuervorteile gewährt.
Lässt sich der Erbe auf die Bedürfnis-
prüfung ein, muss er sein Privatvermö-
gen offenlegen. Das kann zur Hälfte zur
Besteuerung herangezogen werden.
• Stundung: Wird die Steuer aus dem Pri-
vatvermögen gezahlt, kann sie 10 Jahre
lang zinslos gestundet werden.
• Abschmelzmodell: Soll das Privatvermö-
gen privat bleiben, greift ein Abschlags-
modell: Mit wachsendem Unterneh-
mensvermögen muss ein größerer
Teil des Betriebsvermögens versteuert
werden.
• Familienunternehmen: Für Familienun-
ternehmen mit Kapitalbindung be-
ziehungsweise Verfügungsbeschrän-
kung – der Erbe kann nicht frei über
Gewinne oder Verkäufe entscheiden
– ist ein Steuerabschlag auf den
Firmenwert geplant. Der darf maximal
30 % betragen.
• Kleinbetriebe: Bisher sind Betriebe mit
bis zu 20 Arbeitnehmern vom Nachweis
des Arbeitsplatzerhalts befreit. Künftig
sollen nur Betriebe mit bis zu fünf
Mitarbeitern von der Nachweispflicht
ausgenommen werden.
• Verwaltungsvermögen: Anders als
Betriebsgrundstücke und Maschinen
wird Verwaltungsvermögen besteuert
Neues von der Erbschaftsteuer
Die Erbschaftsteuer wurde nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsge­
richts im Jahr 2009 reformiert (Erbschaftsteuerreform 2009). Jedoch auch das
reformierte Gesetz war verfassungswidrig.
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