DAS QUARTAL 4.2015 - page 18

Erbschaftsteuerreform 2015
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 17.12.2014 entschieden,
dass Teile der Regelungen zur erbschaftsteuerlichen Begünstigung für
Unternehmensvermögen verfassungswidrig sind. Die geltenden Regelungen
sind jedoch bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber Frist
für eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2016
gesetzt.
D
as Bundesministeriumder Finanzen hat
nun einen „Entwurf eines Gesetzes zur
Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schen-
kungsteuergesetzes an die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts“ vorgelegt.
Diesen Entwurf hat das Bundeskabinett am
8. Juli 2015 beschlossen. Die wichtigsten
Lösungen des Finanzministeriums stellen
wir in nachfolgendem Artikel vor.
Hintergrund zur Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat in sei-
nem Urteil die Verschonungsregelungen
nach §§ 13a und 13b des Erbschaftsteu-
er- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG)
zwar grundsätzlich für geeignet und erfor-
derlich gehalten.
Die bestehenden Verschonungsregelungen
verstoßen angesichts ihres Übermaßes
aber gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgeset-
zes: Zwar liegt es im Entscheidungsspiel-
raum des Gesetzgebers, kleine und mittlere
Unternehmen, die in personaler Verantwor-
tung geführt werden, zur Sicherung ihres
Bestands und zur Erhaltung der Arbeits-
plätze steuerlich zu begünstigen. Die Pri-
vilegierung betrieblichen Vermögens ist
jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über
den Bereich kleiner und mittlerer Unter-
nehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnis­
prüfung vorzusehen.
Ebenfalls unverhältnismäßig sind die
Freistellung von Betrieben mit bis zu 20
Beschäftigten von der Einhaltung einer
Mindestlohnsumme und die Verschonung
betrieblichen Vermögens mit einem Ver-
waltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§
13a und 13b ErbStG sind auch insoweit
verfassungswidrig, als sie Gestaltungen
zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden
Ungleichbehandlungen führen. Die genann-
ten Verfassungsverstöße haben zur Folge,
dass die vorgelegten Regelungen insge-
samt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind.
Entwurf des Bundesministeriums der Fi-
nanzen
Der Gesetzentwurf behält imGrundsatz das
derzeitige Begünstigungskonzept mit der
Gewährung eines Verschonungsabschlags
in Höhe von 85 % (Regelverschonung) bzw.
von 100 % (Optionsverschonung) und eines
Abzugsbetrags von maximal 150.000 Euro
bei. Allerdings werden die vom BVerfG mo-
nierten Punkte modifiziert.
Begünstigtes Vermögen
Das bisherige Erbschaft- und Schenkung-
steuerrecht sieht eine Verschonung vor,
wenn das Betriebsvermögen einen Ver-
waltungsvermögenanteil von bis zu 50 %
erreicht. Dies wurde vom Bundesverfas-
sungsgericht als unverhältnismäßig ein-
gestuft. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass
zukünftig nur das sogenannte begünstig-
te Vermögen verschont werden kann. Be-
günstigt ist solches Vermögen, das über-
wiegend seinem Hauptzweck nach einer
gewerblichen, freiberuflichen oder land-
und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient.
Die Abgrenzung des begünstigten Vermö-
gens nach dem Hauptzweck verhindert
zudem die vom Bundesverfassungsge-
richt kritisierten missbräuchlichen Gestal-
tungen. In mehrstufigen Unternehmens-
strukturen mit Beteiligungsgesellschaften
wird das begünstigte Vermögen aufgrund
einer konsolidierten Betrachtung ermittelt.
Ein Ausnutzen eines Verwaltungsvermö-
gensanteils von 50 % auf jeder Stufe der
Beteiligungsebenen ist danach nicht mehr
möglich.
Verschonungsregeln
Wie im bisher geltenden Recht wird das
begünstigte Vermögen nach Wahl des Er-
werbers zu 85 % oder zu 100 % von der Erb-
schaft- und Schenkungsteuer befreit, wenn
bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
• Entscheidet sich der Erwerber für die Ver-
schonung in Höhe von 85 % des begüns-
tigten Vermögens, muss er den Betrieb
mindestens fünf Jahre fortführen (Be-
haltensfrist) und nachweisen, dass die
Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren
nach dem Erwerb insgesamt 400 % der
Ausgangslohnsumme nicht unterschrei-
tet (Lohnsummenregelung).
• Bei der Wahl der vollständigen Befreiung
von der Erbschaftsteuer zu 100 % muss
der Erwerber die Behaltensfrist von sie-
ben Jahren einhalten und nachweisen,
dass er insgesamt die Lohnsumme von
700 % im Zeitraum von sieben Jahren
nicht unterschreitet (Lohnsummenrege-
lung).
Kleine Unternehmen
Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten wa-
ren bisher von der Lohnsummenregelung
unabhängig von ihrer Größe gänzlich aus-
genommen. Diese Grenze ist vom Bundes-
verfassungsgericht verworfen worden. Der
Gesetzentwurf sieht vor, dass die Anforde-
rung an die Lohnsummenregelung mit der
Zahl der Beschäftigten steigt:
• Bei Unternehmen mit bis zu drei Beschäf-
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