DAS QUARTAL 4.2015 - page 22

DAS QUARTAL 4.15
22
Themen im Fokus
Fragen und Antworten zum
prognosefreien Investieren:
ein Gespräch mit
Prof. Dr. Stefan May
Herr Professor May, Anleger durchle-
ben aktuell herausfordernde Zeiten an
den Finanzmärkten. Einerseits gibt es
Informationen und Produktangebote im
Überfluss, andererseits schwinden ange-
sichts des Niedrigzinsumfeldes die attrak-
tiven Anlagemöglichkeiten. Wie kann ein
Anleger heutzutage sein Geld überhaupt
noch sinnvoll anlegen?
Die spontane Frage der meisten Anleger
lautet: In welche Aktien oder Anleihen soll
ich mein Geld investieren? Doch aus meiner
Sicht sollten vor Beginn jeder Vermögens-
anlage folgende relevanten Fragen beant-
wortet werden: Wie lange ist mein persön-
licher Anlagehorizont? Welche Rendite
erwarte ich von meiner Vermögensanlage?
Inwieweit bin ich bereit, Risiken in Form von
Kursschwankungen zu tragen? Dabei hängt
das eine vom anderen ab, denn die Rendite
ist letztlich ja nur die Vergütung des über-
nommenen Risikos.
Wenn Sie sich als Anleger mithilfe eines
kompetenten Beraters an diesen Fragen
und Überlegungen orientieren, lässt sich
daraus der strukturelle Aufbau Ihres Ver-
mögens ableiten, insbesondere die Höhe
der hierfür notwendigen Aktien- und Anlei-
heanteile. Da der strukturelle Aufbau aber
für die mittel- und langfristige Wertentwick-
lung eines Depots entscheidend ist, haben
Sie damit bereits den Grundstein für eine
maßgeschneiderte und erfolgreiche Geld-
anlage gelegt. Das klingt zunächst einmal
ganz simpel; die jeweiligen Anteile dann
aber auch möglichst effizient auszuge-
stalten, ist beileibe keine triviale Aufgabe.
Wenn das keine triviale Aufgabe ist,
warum nutzen Sie dann einfache Index-
produkte, wie sogenannte Exchange Tra-
ded Funds (ETFs), in Ihrer Vermögensver-
waltung?
Zunächst einmal zum besseren Verständ-
nis: Bei ETFs handelt es sich um an der Bör-
se gehandelte Fonds, die einen bestimmten
Bereich des Finanzmarkts möglichst ge-
nau abbilden. Es gibt solche Produkte auf
den Deutschen Aktienindex DAX oder den
weltweit ausgerichteten MSCI World Index.
Andere ETFs sind auf Marktsegmente aus-
gerichtet, die – obwohl interessant – nicht
im Fokus der Öffentlichkeit stehen, wie z. B.
das Segment der internationalen Substanz-
werte. ETFs bilden also nicht immer nur die
allgemein bekannten Indizes ab.
Damit ist teilweise auch schon Ihre Frage
beantwortet, warum wir diese Produkte
nutzen: Sie geben uns die Möglichkeit, unter
Beachtung maximaler Risikostreuung für
unsere Kunden, in interessante Marktseg-
mente zu investieren. Die beiden bekannten
Indizes, die ich genannt habe (Anm. d. Red.:
DAX, MSCI World), spielen hierbei beileibe
nicht die Hauptrolle. Hinzu kommt, dass
ETFs unschlagbar günstig sind. Und das
bedeutet im Umkehrschluss auch, dass sie
meistens eine bessere Rendite bringen als
vergleichbare Publikumsfonds. Diese ha-
ben in der Regel einen aktiven Manager, der
versucht, den Markt zu schlagen, indem er
das Portfolio umschichtet – was im Ender-
gebnis aber nur zu hohen Transaktionskos-
ten führt, die die Rendite schmälern. Denn
ein performancetechnischer Mehrwert ist
damit nur in den allerseltensten Fällen ver-
bunden.
Bei solch aktiv gemanagten Fonds geht
grundsätzlich immer der eine oder andere
Performance-Prozentpunkt durch Kosten
verloren – sei es durch Ausgabeaufschlä-
ge, Vergütungen an das Management,
Vertriebsprovisionen für die vermittelnden
Banken oder eben Transaktionskosten
durch häufiges Kaufen und Verkaufen.
Auch falsches Timing, d. h. die falsche
Wahl kurzfristiger Ein- und Ausstiegszeit-
punkte, kostet auf lange Sicht nicht nur
Nerven, sondern auch bares Geld. Denn
im Nachhinein betrachtet sind kurzfristige
Timing-Entscheidungen in der Praxis so
gut wie immer falsch. Hier sind die Ergeb-
nisse der objektiven wissenschaftlichen
Forschung eindeutig – so sehr wir uns als
Anleger auch etwas anderes wünschen
mögen. Jeder Anleger sollte wissen, wie
viel Performance durch falsches Timing –
oftmals weitgehend unbemerkt – verloren
geht. Die faire Rendite des Markts, die dem
Anleger für die Übernahme des entspre-
chenden Anlagerisikos gewissermaßen
zusteht, erzielen Sie mit aktiv gemanagten
Produkten langfristig so gut wie nie. Als
Honorarberater/-innen, die wir auf Ihrer
Seite des Tisches sitzen, raten wir daher
von diesen (aktiven) Anlageprodukten
weitgehend ab – jedenfalls in Bezug auf
die systematische Anlage in die weltweiten
Aktien- und Anleihemärkte.
Aber warum sollte ich als Anleger statt-
dessen nicht einfach starke Einzelunter-
nehmen wie Procter & Gamble, Microsoft
oder Siemens kaufen?
Natürlich können Sie immer drei oder vier
Unternehmen herauspicken, die Ihnen oder
Die spontane Frage
der meisten Anleger lautet:
In welche Aktien oder Anleihen
soll ich mein Geld investieren?
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...52