DAS QUARTAL 2.2015 - page 24

DAS QUARTAL 2.15
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Themen im Fokus
Griechenland
und kein Ende?
Text: 28. April 2015, Autor: Philipp Dobbert
D
erzeit füllen die Meldungen rund um
Griechenland wieder vermehrt die
Schlagzeilen. Immer neue Szenarienwerden
erdacht, vermeintliche letzte Zeitpunkte für
eine Einigung genannt und bislang kaum
bekannte, mal entscheidende und mal
weniger entscheidende Details präsentiert.
Vor allemder Austritt Griechenlands aus der
Euro-Zone wird dabei immer wieder herauf-
beschworen, von einigen sogar als einzige
und auch als wünschenswerte Lösung der
Herausforderungen gesehen. DiesesMal, so
die vielfach zu findende Auffassung, lasse
sich das Unvermeidliche eben einfach nicht
mehr vermeiden und Griechenland werde
aus der Währungsunion ausscheren, alle
Probleme wären damit gelöst.
Beides dürfte sich als Trugschluss erwei-
sen. Ein Austritt Griechenlands aus dem
Euro ist keinesfalls sicher. Die politischen
Manöver sehen brenzliger aus als sie sind.
Vielmehr geht es darum, in den Verhandlun-
gen möglichst viel Druck auf beide Seiten,
Griechenland und die Euro-Partner, aufzu-
bauen, um einerseits nötige Anpassun-
gen des Reformprogramms zu erreichen,
andererseits aber auch nicht zu viel vom
Reformkurs preiszugeben. Zudem wäre ein
Euro-Austritt keine echte Problemlösung.
Der Bankensektor bliebe am Boden, auch
wenn die griechische Notenbank ohne An-
bindung an die Europäische Zentralbank
EZB wieder eigenes Geld „drucken“ könn-
te. Der Wertverfall einer „neuen Drachme“
würde die Bevölkerung vor noch größere
Herausforderungen stellen. Und auch Kre-
dithilfen an Griechenland, das ja immerhin
noch Mitglied der EU bleiben würde, wären
auch weiterhin an der Tagesordnung. We-
der politisch noch ökonomisch wäre ein
Euro-Austritt daher sinnvoll.
Die aktuellen Turbulenzen rühren insofern
eher von einer anderen Seite her, die sehr
viel wahrscheinlicher als ein Euro-Austritt
Griechenlands ist. Denn völlig unstrittig ist
die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, die
schon seit Jahren besteht und nur durch
die europäischen Hilfen überbrückt wird.
Genau um eine weitere Überbrückung und
Überdeckung dieser Tatsache geht es bei
den aktuellen Verhandlungen von Euro-Zo-
ne, Internationalem Währungsfonds IWF
und griechischer Regierung. Als Ergebnis
ist ein erneuter Schuldenschnitt zu erwar-
ten, der aller Voraussicht nach die aus vor-
hergehenden Runden bereits bekannten
Elemente von Laufzeitverlängerung und
Zinsreduktion enthalten wird. Auch mit ei-
ner ebenfalls bereits bekannten Lösung im
Sinne eines „Schuldenschnitts ohne Zah-
lungsausfall“ ist zu rechnen. Aller Voraus-
sicht nach wird es im gleichen Zuge auch
ein weiteres Hilfspaket geben müssen.
Warum aber die große Mühe, um den grie-
chischen Staatsbankrott auch weiterhin
nicht nach einem solchen aussehen zu
lassen? Die Ursache hierfür ist inzwischen
vor allem die Zusammensetzung der ver-
bliebenen Griechenland-Schuldner. Griechi-
sche Schuldtitel und andere Forderungen
gegenüber den Hellenen halten derzeit
im Wesentlichen noch zwei Gruppen: Die
staatlichen Geldgeber (Europäischer Stabi-
litätsmechanismus ESM, EZB, IWF) und die
griechischen Banken. Letztere haben ihre
Risiken aus griechischen Papieren aller-
dings bereits fast vollständig über Notfall-
kredite an die EZB weitergereicht, sodass
letztlich fast ausschließlich die Geldgeber,
insbesondere die europäischen, von einem
Schuldenschnitt Griechenlands betroffen
wären. Dieser ist damit in einer allzu of-
fensichtlichen Variante erstens politisch
schwer zu vermitteln und zweitens auch
rechtlich problematisch, da etwa die EZB
nicht einfach auf die Rückzahlung der in
ihren Bilanzen befindlichen Anleihen ver-
zichten dürfte.
Gesucht wird derzeit also zweierlei: ers-
tens ein Weg, Griechenland weiter Refor-
men zu verordnen ohne die wirtschaftliche
Entwicklung wie in den letzten Jahren so
abzuwürgen, dass sich die Abwärtsspirale
aus schwachem Wachstum und steigen-
der Staatsverschuldung immer weiterdreht.
Zweitens ein Weg, den unvermeidlichen
neuen Schuldenschnitt und neuen Finan-
zierungsplan für Griechenland so zu ge-
stalten, dass der europäische Steuerzahler
auch weiterhin die Risiken trägt und so die
Auswirkungen für Wachstum und Beschäf-
tigung in Europa (vor allem in Griechenland
und dem Rest der südlichen Euroländer)
überschaubar bleiben. Auch weiterhin
werden also aller Voraussicht nach Euro-
noten aus den griechischen Geldautoma-
ten kommen. Dies ist aber keinesfalls ein
Grund zur Entwarnung, denn die Risiken
dieser Politik bleiben natürlich hoch. Zudem
konkretisieren sich derzeit auch die europä-
ischen Pläne, bei künftigen Bankpleiten (die
es z. B. auch im Zuge eines etwas weniger
geordneten griechischen Staatsbankrotts
geben könnte) verstärkt die Einlagen pri-
vater Haushalte jenseits von 100.000 Euro
auf Spar- und Tagesgeldkonten zur Bestrei-
tung der Verluste heranzuziehen. In Öster-
reich liegt schon ein Gesetzentwurf vor,
der vorsieht, den Staat stufenweise auch
aus der Einlagensicherung bis 100.000
Euro zu entlassen und diese Aufgabe voll-
ständig einem durch die Banken selbst
finanzierten Fonds zu übertragen. Hierbei
handelt es sich um die Umsetzung einer
europäischen Richtlinie – auch hierzulande
ist diese Entwicklung also nur noch eine
Frage der Zeit. Nicht nur, aber auch wegen
der schier unendlichen Geschichte rund
um die griechischen Staatsschulden. Wie
auch immer diese Tragödie also ausgeht,
der Privatanleger muss bei Anlageentschei-
dungen die Risiken von Bankeinlagen ganz
neu bewerten.
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