DAS QUARTAL 2.2015 - page 14

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aum zu glauben: Ein Firmenchef sitzt
nachmittags gemütlich Lattemacchiato
trinkend imCafé. Anschließend geht er nicht
ins Büro, sondern guten Gewissens zur
FamilienachHause,daerseinArbeitspensum
für den Tag bereits erledigt hat.
Es gibt auch zu viel Kontrolle
Früher hätte sich Christian Meier das nicht
vorstellen können. Im Sommer 1999 grün-
dete er die logic-base GmbH in Rain am
Lech nahe Augsburg. Binnen eines Jahr-
zehnts entwickelte sich das klassische Sys-
temhaus mit zwei Beschäftigten zu einem
E-Commerce-Spezialisten mit rund 100
weitgehend hoch qualifizierten Fachkräf-
ten. Meier tat, was er für richtig hielt und die
Gesellschaft von Unternehmern erwartet
– arbeitete bis spät abends, hetzte von Ter-
min zu Termin, machte kaum Pausen und
möglichst viel selbst: „Zu Beginn habe ich
jede E-Mail kontrolliert, die an Kunden ging.“
Selbstorganisation, nach eigener Einschät-
zung ohnehin nicht seine Stärke, war zweit-
rangig. „Ich nutzte exzessiv mein Talent zu
improvisieren, spontan auf Situationen zu
reagieren“, so Meier. Das ging gut, bis sein
Körper 2008 bei einem Kundentermin nicht
mehr wollte: „Da war klar, dass es so nicht
weitergeht, sonst bleiben die Firma und ich
auf der Strecke.“
Dies war der Wendepunkt. Meier begann,
sich auf seine Ziele und Kernkompetenzen
als Firmenchef zu konzentrieren. Er dach-
te mehr mittel- und langfristig, reduzierte
gezielt sein Arbeitspensum, delegierte. Er
stellte erstmals eine Assistentin ein und
regelte, welcher der damals 60 Mitarbeiter
ihm wie zuarbeiten soll. Parallel dazu opti-
mierte er seine Arbeitstechniken, um seine
Zeit nicht nur für die richtigen Aufgaben,
sondern auch effizient nutzen zu können.
Zudem schaffte sich der Unternehmer
Raum für Erholung: Eine einstündige Mit-
tagspause steht jetzt fest im Terminplan.
Zu wichtigen Familienfesten wie Geburtsta-
gen nimmt er sich frei. Mindestens einmal
im Jahr stärkt er durch mehrtägige Auszei-
ten in einem Rosenheimer Gesundheitszen-
trum seine physischen wie psychischen
Ressourcen.
Nur die wichtigsten Dinge zählen
Sich von der Rolle des Getriebenen zu ver-
abschieden und grundlegend umzudenken,
lohnt sich für Unternehmer generell, so
Martin-Niels Däfler. „Beherzige ich die vie-
len Selbstorganisations- und Zeitmanage-
menttipps, spare ich bis zu 15 Prozent an
Zeit“, sagt der Professor für Kommunikati-
on an der FOM Hochschule für Oekonomie
& Management in Frankfurt amMain. „Aber
entscheidend ist, zu überlegen, was für
mich die wirklich wichtigen Dinge sind, für
welche Aufgaben es sich überhaupt lohnt,
Arbeitszeit einzusetzen.“ Richtiges Selbst-
management sei viel mehr als klassisches
Zeitmanagement: „Es ist die Fähigkeit des
Menschen, sich so zu steuern, dass er das,
was er im Leben anstrebt, tatsächlich er-
reicht.“
Multitasking treibt die Kosten
Für Unternehmer bedeutet das beispiels-
weise, als Erster zu entscheiden: Wohin
will ich mit der Firma? Welche Kunden will
ich wie erreichen? Welche Schritte muss
ich wann wohin gehen? Was kann wer im
Betrieb dafür tun? Und auch: Wo soll ich
Nein sagen? „Selbstmanagement basiert
auf Effektivität, also darauf, die richtigen
Dinge zu tun – dies bedingt, weniger zu
machen, das aber gezielt und sorgfältig“, er-
klärt Däfler. „So ist man zugleich effizienter,
und das ist die Dimension, die Unternehmer
interessiert.“
Oft wird im Betrieb aber Effektivität mit Effi-
zienz verwechselt, auch was die Arbeit der
Beschäftigten betrifft. Viele Chefs sehen
auf die Kosten, aber nicht auf Qualität und
Ergebnis. Gerade Inhaber kleiner Betriebe
vergessen, dass es kontraproduktiv ist,
Mitarbeiter an vielen Projekten gleichzei-
tig werkeln zu lassen. „Fehlerkosten, die
durch Multitasking entstehen, erfasst keine
Gewinn- und Verlustrechnung“, so Däfler.
Selbstmanagement:
Prioritäten müssen stimmen
Professionelles Selbstmanagement basiert auf dem Grundsatz der Effektivität.
Ein Firmenchef sollte sich deshalb gezielt auf das Wichtigste konzentrieren
und auch mal Nein sagen – im eigenen Interesse wie in dem
der Firma und ihrer Mitarbeiter.
Text: Eva Müller-Tauber
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