DAS QUARTAL 2.2016 - page 23

DAS QUARTAL 2.16
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Themen im Fokus
Exchange Traded Funds
(ETFs) in den Medien –
überkritische Finanzbericht-
erstattung und beruhigende Realität
Text: von Kai Hattwich (Vermögensverwaltung, zertifizierter ETF-Experte)
Die Fakten:
Bei einer nüchternen Betrachtung der Fak-
tenlage setzt man das globale ETF-Volu-
men ins Verhältnis zu allen Fonds – also
sowohl aktiv gemanagten, sprich progno-
segetriebenen Fonds als auch indexorien-
tierten Fonds, wie ETFs. Dann zeigt sich ein
deutlich anderes Bild, denn dem weltweit
in ETFs verwalteten Vermögen von 2.959,3
Mrd. US-Dollar steht ein Gesamtvermögen
von Fonds in Höhe von 28.000 Mrd. US-
Dollar gegenüber. Damit liegt der Marktan-
teil von ETFs bei ca. 10,6 %. Das in Europa
in ETFs verwaltete Vermögen beläuft sich
auf 510,9 Mrd. US-Dollar gegenüber einem
Gesamtfondsvolumen von über 8.000 Mrd.
US-Dollar. Das entspricht hier sogar nur
einem Marktanteil von unter 6,4 %. Trotz
des starken Wachstums haben wir es beim
ETF-Markt also immer noch mit einem
Leichtgewicht zu tun.
Und wie steht es mit dem Potenzial zur
Verstärkung von Crashs und Krisen? Nun,
die größten Investoren in ETFs sind insti-
tutionelle Investoren, wie beispielsweise
Versicherungen oder Pensionskassen.
Diese Investoren waren schon lange vor
der Einführung von ETFs sehr indexnahe
Anleger. Die Entscheidungen dieser Inves-
toren können starke Bewegungen wie einen
Crash tatsächlich beschleunigen oder ver-
stärken. Allerdings macht es keinen Unter-
schied, ob sich dies über den Verkauf von
ETF-Anteilen ergibt oder wie früher durch
den direkten Verkauf der gehaltenen Aktien.
Auch beim Krisenpotenzial kommt also den
ETFs als Anlageinstrumenten keine tragen-
de Rolle zu.
Das Resümee:
Ein Crash wird heute wie früher von den
Entscheidungen der Anleger beeinflusst,
nicht von den verwendeten Instrumen-
ten. Institutionelle Anleger konnten auch
schon, bevor es ETFs gab, große Aktienkör-
be schnell veräußern. Zudem ist der Anteil
der ETFs am globalen Fondsvolumen trotz
des rasanten Branchenwachstums immer
noch recht überschaubar. Den ETFs ein
gestiegenes Potenzial, Börsenkrisen zu
verstärken, zuzuschreiben, ist daher min-
destens fragwürdig.
Die Börsenliquidität von ETFs
und der fehlende Vergleich
zu anderen Anlageinstru-
menten
Die Berichterstattung:
Mit dem Verweis auf den 24.08.2015 wird
gerne kritisiert, dass ETFs im Börsenhandel
illiquide oder sogar also vom Handel ausge-
setzt werden können. Der betreffende Tag
war tatsächlich von starken Kursturbulen-
zen – bedingt durch steigende China-Sor-
gen – vor allem an den US-Börsen gekenn-
zeichnet. Die Schwankungen waren derart
stark, dass einige ETFs vorübergehend
vom Handel ausgesetzt werden mussten
– ein typisches ETF-Problem, so die Kritiker
dieser Anlageinstrumente.
Die Fakten:
Zunächst zum Hintergrund der Handels-
aussetzung: Im Verlauf eines Börsentages
kann der Börsenkurs eines ETFs bei star-
kem Kauf- oder Verkaufsdruck vom tat-
sächlichen Wert der zugrunde liegenden
Wertpapiere, also von der tatsächlichen
Entwicklung des abgebildeten Index, tem-
porär abweichen. Damit diese Differenz
am 24.08. des letzten Jahres nicht zu üp-
pig wurde, wurde in den USA bei einigen
ETFs der Handel tatsächlich für kurze Zeit
gestoppt. Der Grund, warum auch von ETF-
Kritikern in Deutschland und Europa hierbei
ausschließlich auf die US-Börsen Bezug ge-
nommen wird, ist einfach: An den europä-
ischen Börsen läuft es anders. So hat z. B.
die Deutsche Börse bereits vor einiger Zeit
Maßnahmen ergriffen, um über Xetra eine
noch bessere Preisbildung in Zeiten turbu-
lenter Börsenbewegungen gewährleisten
zu können.
Bei starken Kursschwankungen wird der
reguläre ETF-Handel unterbrochen und es
werden stattdessen spezielle Auktionen
durchgeführt. So werden ETF-Käufer und
-Verkäufer weiter mit Kursen bedient, die
dem fairen Wert der zugrunde liegenden
Indexentwicklung entsprechen, und der
Handel kann aufrechterhalten werden.
Hierzulande sind also die Angriffspunkte
für die in den USA durchaus zutreffende
Kritik möglicher Illiquidität von ETFs längst
weitestgehend ausgeräumt.
Grundsätzlich sind turbulente Börsentage
aber auch nichts, wovon sich strategische
Anleger verunsichern lassen sollten. Wenn
kurzfristig oder taktisch orientierte Anleger
verstärkt verkaufen, kommt es bei ETFs,
ebenso wie bei Aktien und Anleihen auch,
zu höheren Kursschwankungen und höhe-
ren Abständen zwischen An- und Verkaufs-
kursen, im Fachjargon Geld-Brief-Spannen
genannt. Als strategischer Anleger hat man
hier den Luxus, Ruhe bewahren zu können
und nicht aktiv werden zu müssen. Dies
schützt gleich zweifach: Einerseits werden
Handelskosten gespart und andererseits
Kursabschläge durch gestiegene Geld-
Brief-Spannen vermieden. Übrigens: Schon
am folgenden Handelstag (25.08.) hatten
sich sowohl in den USA als auch in Europa
die Preisspannen und der Handel wieder
normalisiert.
Das Resümee:
ETFs sind so liquide wie die ihnen zugrunde
liegenden Wertpapiere und das wichtigste
deutsche Handelssystem Xetra beinhaltet
Sicherungsmechanismen, die ein Ausein-
anderdriften von ETF-Kursen und den
zugrunde liegenden Wertpapieren im Sinne
des Anlegers verhindern.
Risiken für das Finanz-
system – eine Gefahr
von gestern
Die Berichterstattung:
Einige aktuellere Artikel widmen sich auch
den vermeintlichen systemischen Risiken
von ETFs – also dem Gefahrenpotenzial für
die Stabilität des Finanzsystems an sich.
Dieses könne sich demzufolge aus der
Praktik der sogenannten Swap-Replikation
bzw. der Wertpapierleihe physischer ETFs
ergeben. Diese können nämlich, so die The-
se, zu Vertrauensverlusten und in der Folge
zu deutlichen Geldabflüssen führen – mit
negativen Wechselwirkungen auf die ETF-
Anbieter und deren Geschäftspartner und
letztlich auf den gesamten Finanzmarkt.
Die Fakten:
Bei einem Swap-ETF (auch synthetischer
ETF genannt) erhält der ETF-Anbieter die
Rendite des abzubildenden Index von ei-
nem Geschäftspartner, z. B. einer anderen
Bank. Er liefert dem Partner im Gegenzug
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