DAS QUARTAL 2.2016 - page 22

DAS QUARTAL 2.16
22
Themen im Fokus
Ökonomisch gesehen:
Bargeld
Text: Philipp Dobbert (Chefvolkswirt und Leiter Anlagestrategie)
D
erzeit ist wieder einiges von einer der
ältesten ökonomischen Erfindungen zu
lesen: dem Bargeld. Aber nicht etwa neue
Euro-Scheine sind momentan das Thema,
so wie noch vor einigen Wochen, als die
neue 20-Euro-Banknote in den Umlauf
gebracht wurde. Nein, gewissermaßen
das Gegenteil davon ist Gegenstand der
Diskussion: Eine Beschränkung bzw. sogar
Abschaffung des Bargeldswird insGespräch
gebracht. Anlass hierfür ist die Überlegung
der Bundesregierung, Barzahlungen über
5.000 Euro gesetzlich zu verbieten. Hinzu
kommt ein schon etwas älterer Vorschlag
der Europäischen Zentralbank (EZB), die
Verwendung von 500-Euro-Banknoten voll-
ständig einzustellen.
Der Ursprung dieser aktuellen Überlegun-
gen liegt noch etwas weiter in der Vergan-
genheit. Bereits 2014 hat der bekannte
US-Volkswirt Kenneth Rogoff in einem viel
beachteten Aufsatz die Kosten und den
Nutzen einer Abschaffung des Bargelds
diskutiert. Auch er weist auf das hin, was
aktuell als wesentliche Motivation für die
Überlegungen zur Bargeldabschaffung dar-
gestellt wird.
Ohne Bargeld – so die Überlegung – lie-
ßen sich Schwarzarbeit und Schattenwirt-
schaft, aber auch organisierte Kriminalität
und Steuerhinterziehung kaum noch um-
setzen. Ausschließlich elektronisch belegte
Zahlungen würden dazu führen, dass die
genannten Bereiche finanziell austrocknen:
Wenn das Finanzamt und andere Behör-
den mitlesen können, ist die Schwarzarbeit
eben ganz einfach nicht mehr schwarz.
Rogoff geht in seinem Artikel aber im We-
sentlichen auf eine andere wirtschaftspo-
litisch aktuell weit relevantere Motivation
ein. Diese dürfte letztlich auch hinter der ak-
tuellen Diskussion stecken. Denn, so führt
Rogoff aus, eine vollständige Abschaffung
des Bargelds würde vor allem dazu führen,
dass die Zentralbanken ihre derzeitige Po-
litik negativer Zinsen für die Einlagen von
Geschäftsbanken auch voll auf die Einlagen
von Sparern und Unternehmen ausdehnen
könnten. Warum? Nun, weil die einzige Hür-
de für eine solche Ausdehnung eben das
Bargeld ist. Denn wahrscheinlich würden
auch Sie sich Ihre Einlagen vollständig aus-
zahlen lassen, wenn Ihre Bank einen negati-
ven Zins – also Kosten statt Rendite – auf
Spar- und Tagesgelder einführen würde.
Aber wenn es kein Bargeld mehr gäbe, wäre
eine solche Ausweichreaktion Ihrerseits un-
möglich und der negative Zins könnte voll
auf Ihr Guthaben durchschlagen.
Die Vermutung, dass Bundesregierung und
EZB insgeheim auch diese Ziele verfolgen,
wenn sie eine Reduktion bzw. Abschaffung
des Bargelds ins Spiel bringen, ist durch-
aus naheliegend. Denn letzten Endes ließe
sich so eine Umverteilung der Krisenkosten
seit 2008 – im Wesentlichen gestiegene
Staatsverschuldung aufgrund von Banken-
rettungen und Konjunkturprogrammen –
weg von den Schuldnern hin zu den Spa-
rern bewerkstelligen.
Statt durch positive Zinsen auf Schulden
erfolgt die Finanzierung dann gewisser-
maßen über eine gegenteilige Rechnung,
nämlich negative Zinsen auf Guthaben.
Zwar haben negative Zinsen auf Spar-
gelder keinen direkten Einfluss auf die
Staatsverschuldung. Indirekt aber schon:
Minuszinsen auf Sparbuch & Co. würden
auch die Zinskosten für Bundesanleihen
weiter nach unten drücken. Dies wäre eine
weitere Spielart der sogenannten finanziel-
len Repression, von der Sie an dieser Stelle
(leider) schon öfter lesen mussten.
Eine mögliche Abschaffung des Bargelds
wäre in diesem Sinne eine weitere Ver-
schärfung und Zementierung des aktuellen
Niedrigzinsumfelds. Hinter theoretischen
Überlegungen, die zum Thema Bargeld der-
zeit wieder angestellt werden, stecken also
letzten Endes ganz handfeste Interessen.
Die Geldpolitik der Zentralbanken könnte so
nämlich eine ganz neue Dimension der Ef-
fizienz erreichen: Ihre Signale würden sich
dann auf die gesamten Geldbestände einer
Volkswirtschaft ausdehnen lassen – das
Bargeld wäre nicht mehr ausgespart. Auch
wenn eine solche Entwicklung bestimmt
nicht unmittelbar bevorsteht: Beunruhigend
wäre sie schon, diese „schöne neue Welt“
im klassisch Huxley’schen Sinne.
• Aktuell kommt wieder Fahrt in die Diskussion rund um die Reduktion oder
gar Abschaffung des Bargelds
• Von den Befürwortern wird ins Feld geführt, dass ohne Bargeld Schwarzarbeit
und organisierte Kriminalität kaum noch finanziell möglich wären
• Aktuell dürfte aber tatsächlich eine andere Überlegung im Vordergrund stehen:
eine Übertragung der Negativzinsen einiger Zentralbanken (z. B. der EZB)
auf Sparer und Unternehmen
FAZIT FÜR IHRE VERMÖGENSANLAGE
In der aktuellen Diskussion um eine mögliche
Abschaffung des Bargelds geht es nicht nur
um die (natürlich populäre) Kriminalitätsbe-
kämpfung. Vielmehr stehen eigentlich geld-
politische Überlegungen hinsichtlich einer Fi-
nanzierung der Krisenkosten im Vordergrund.
Auch wenn eine solche Entwicklung nicht
unmittelbar bevorsteht, wirft sie doch einmal
mehr ein kritisches Licht auf die hohen Bestän-
de an Spareinlagen. Entziehen kann man sich
solchen möglichen Entwicklungen letztlich nur
durch ein Engagement amKapitalmarkt, sprich
durch Kauf von Aktien und Anleihen.
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...52