DAS QUARTAL 3.2014 - page 12

Auslandserbschaft:
reibungslose Übergabe
Geht Vermögen außerhalb Deutschlands an die nächste Generation, droht oft
ein finanzieller Aderlass, weil zwei Finanzbehörden Steuern kassieren wollen.
Nur mithilfe erfahrener Berater lässt sich hier eine möglichst schonende
Lösung finden.
Text: Eva-Maria Neuthinger und Harald Klein
E
igentlich sind Feinheiten für Gerhard
Reisinger Tagesgeschäft – auch inter-
national. „Seit zehn Jahren agieren wir über
die Grenzen hinaus“, sagt der Schreiner-
meister, der in Reichenbach in der Oberpfalz
einen Betrieb für Akustik- und Trockenbau,
Innenausbau sowie Wandsysteme führt.
Mit höchster Passgenauigkeit begeistern
24 Mitarbeiter Exportkunden von Polen bis
nach Panama – bei Gebäuden mit Spezi-
alanforderungen, etwaReinräumen, eingutes
Verkaufsargument. Obwohl Reisinger seine
unternehmerische Zukunft zum Großteil
außerhalb Deutschlands sieht, plant er dort
aber keine Standorte. Das liegt an jenen
Feinheiten, mit denen der Firmenchef sich
lieber nicht belastet – sie sind juristischer
und steuerlicher Natur. Reisinger weiß,
dass internationale Niederlassungen die
intensive Beschäftigungmit lokalemGesetz
erfordern: „Produktionsvermögen imAusland
kommt für mich aufgrund der komplizierten
Rechtsverhältnisse sicher nicht infrage.“
Mit dieser Einstellung zählt er zu einer
Minderheit. Immer mehr Unternehmer in-
vestieren jenseits der Grenzen in Produk-
tionsanlagen und Immobilien, haben dort
Konten und Beteiligungen. Ihr Vermögen
steckt – der anhaltenden Diskussion um
Steuer-CDs und Schwarzgeld zum Trotz –
in legalen Konstruktionen, die der betriebli-
chen Tätigkeit oder der privaten Geldanlage
dienen. Doch auch dann drohen noch böse
Überraschungen. Ohne Hilfe durch erfah-
rene Rechtsanwälte und Steuerberater ist
es schwierig, alle steuerlichen und zivil-
rechtlichen Besonderheiten bei Auslands-
vermögen zu beachten. Das gilt gerade für
Firmenchefs, die es möglichst schonend
übertragen wollen. „Ohne spezielle Rege-
lungen erheben oft gleich zwei Staaten
unter Umständen empfindlich hohe Steu-
ern“, warnt Thilo Söhngen, Vizepräsident
des Deutschen Steuerberaterverbandes
Westfalen-Lippe. Bei Familienunterneh-
men betrifft dies sowohl die betriebliche als
auch die private Sphäre. Kluge Firmenchefs
entwickeln deshalb frühzeitig umfassende
Lösungen.
Wichtig ist, den letzten Willen mit Blick auf
das Auslandsvermögen schriftlich festzu-
legen, so Holger Stein, Präsidialmitglied der
Bundessteuerberaterkammer. Erstens lässt
sich so verhindern, dass das gesetzliche
Erbrecht greift und mehrere Angehörige als
Erbengemeinschaft Zugriff auf das Vermö-
gen erhalten. „Sonst sind Auseinanderset-
zungen innerhalb der Familie program-
miert“, sagt Söhngen. Zweitens kann beim
Ausarbeiten des Testaments den Beson-
derheiten des Erbrechts in verschiedenen
Ländern Rechnung getragen werden. In
Deutschland einigen sich Ehepaare bei-
spielsweise oft auf das sogenannte Ber-
liner Testament, wonach beim Tod eines
Partners der Überlebende das Vermögen
erhält. Zählt dazu auch eine Beteiligung
etwa in Italien, ist Ärger zu erwarten. „Die
Italiener erkennen ein Berliner Testament
nicht an“, betont Holger Stein. Darum soll-
te bereits vor Investitionen im Ausland mit
Experten genau geklärt werden, wie die
(erb-)rechtlichen Aspekte der Transaktion
zu gestalten sind.
Steuerabkommen studieren
Generell wird der Übergang von Aus-
landsvermögen in andere Hände teurer,
wenn keine Klarheit über die juristischen
Rahmenbedingungen im jeweiligen Land
und die dazu passenden Gestaltungen
und Verträge besteht. „Nur mit den USA,
Frankreich, Dänemark, Schweden sowie
der Schweiz und Griechenland gibt es Dop-
pelbesteuerungsabkommen bei der Erb-
schaft- und Schenkungsteuer“, sagt Thilo
Söhngen. Bei Beteiligungen oder Konten in
den Niederlanden oder Luxemburg sowie
in den meisten anderen Staaten dürften
also im Zweifel zweimal Steuern anfallen.
Eine für August 2015 geplante Reform
des Erbrechts innerhalb der EU sieht zwar
grundsätzlich Verbesserungen vor, aber die
konkrete Ausgestaltung der entsprechen-
den Gesetze in den einzelnen Ländern steht
noch nicht fest.
Bewertungsgesetz beachten
Zwar kennt das deutsche Erbschaft- und
Schenkungsteuerrecht die Möglichkeit, die
in einem EU-Land gezahlte Erbschaftsteuer
anrechnen zu lassen – aber nicht in vol-
lem Umfang. Wird Vermögen im Inland wie
im Ausland geerbt, greift Paragraf 21 des
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes.
„Diese Vorschrift führt in vielen Fällen zu
keiner oder zu einer nur teilweisen An-
rechnung ausländischer Erbschaft- oder
Schenkungsteuer“, warnt Marc Jülicher,
Dozent der Bundesfinanzakademie bei der
Münchner Steuerfachtagung.
Bei der Anrechnung der ausländischen
Steuer berücksichtigt das Finanzamt nur
Vermögen, das in einem Katalog zum Be-
wertungsgesetz festgelegt ist. Nach Para-
graf 121 des Bewertungsgesetzes zählen
dazu etwa land- und forstwirtschaftliches
Vermögen, Grundvermögen (Immobilien),
Betriebsvermögen, Anteile an einer Kapital-
gesellschaft, Wirtschaftsgüter des Gewer-
bebetriebs, Hypotheken und Grundschul-
den. Auch Steuern auf Beteiligungen an
einem Handelsgewerbe als stiller Gesell-
schafter und aus partiarischem Darlehen,
die der Unternehmer im Ausland hält und
verschenkt oder vererbt, rechnet die deut-
sche Behörde an. Eine wichtige Ausnahme
für zahlreiche Unternehmer: Die Erbschaft-
oder Schenkungsteuer auf Bankguthaben
im Ausland berücksichtigt der Fiskus hier-
zulande nicht.
Liegt die Steuerlast im Ausland höher
als im Inland, rechnet das Finanzamt die
Zahlungen an. Es gibt aber kein Geld zu-
rück. Verlangt der deutsche Staat mehr
Erbschaft- und Schenkungsteuer als das
Ausland, muss der Steuerzahler seiner
Pflicht hier in voller Höhe nachkommen.
Außerdem entsteht bei Übertragungen
von Auslandsvermögen mehr Bürokratie-
aufwand. Wer ausländisches Vermögen
geschenkt oder vererbt bekommt, hat eine
erhöhte Mitwirkungspflicht. „Erben oder
Beschenkte müssen gegenüber ihrem Fi-
nanzamt die Höhe des Auslandsvermögens
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