DAS QUARTAL 1.2015 - page 20

DAS QUARTAL 1.15
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Themen im Fokus
Beurteilen Sie selbst.
Fall 1:
Ich nutze eine moderne Uhr, die
meinen Puls und andere Gesundheitsdaten
online erfasst. Ich kann mir jederzeit einen
Status über meine aktuelle körperliche Si-
tuation abrufen. Der Betreiber erhält eine
Information, wenn die Uhr einen kritischen
Zustand meines Körper signalisiert und in-
formiert automatisch die Rettung. Da ich
über die Uhr auch geortet werden kann, ist
meine Rettung gesichert. Fazit: Ich werde
auf Kosten der Preisgabe von sehr persön-
lichen Informationen höchstwahrscheinlich
gerettet.
Fall 2:
Ich werde von einem möglichen Ar-
beitgeber abgelehnt, da er (in Deutschland
noch nicht erlaubt) von dem Betreiber der
Uhr mein Profil gekauft hat und festgestellt
hat, dass es ummeine Gesundheit nicht zum
Besten steht und er mit meiner politischen
Einstellung nicht einverstanden ist. Fazit: Ich
werde benachteiligt, ohne es zu wissen.
Jeder sollte überlegen, ob er wirklich diese
Technologien in der aktuell datenschutz-
rechtlich kritischen Form nutzen will. Auch
kann es passieren, dass Informationen
nachteilig gegen uns eingesetzt werden.
Eine schnelle und vielleicht unüberlegte
Kommentierung in Facebook kann den
Job kosten. Oder eine Versicherung wird
abgelehnt, weil wir eine Risikosportart be-
treiben. Das sollte immer bedacht werden,
denn das Internet vergisst nie.
Ich bin kein Gegner dieser Technologien,
fordere aber hier einen sensiblen und be-
dachten Umgang jedes Einzelnen und einen
besseren Schutz der Persönlichkeitsrech-
te. Es wird sicherlich schwer werden, die
wirtschaftlichen Interessen einiger weniger
Netzwerkbetreiber mit unseren Interessen
als Nutzer unter einen Hut zu bringen.
Festzuhalten ist, dass unsere persönlichen
Daten das neue „Datengold“ der Zukunft
sind. In einem Artikel der „Zeit“ aus 2013
(
)
wird festgestellt, dass sich die Menge der
Daten, die innerhalb eines Jahres erstellt,
vervielfältigt und konsumiert werden, bis
2020 alle zwei Jahre verdoppelt.
Meist bezahlen wir für die Nutzung der
Netzwerke nicht in Euro, sondern mit un-
seren persönlichen Daten, die verkauft
werden. Und das ist für die Betreiber so in-
teressant, dass sie weitere neue Netzwerke
erfinden werden, um noch mehr Milliarden
damit zu verdienen.
Diese Entwicklung beunruhigt mich, da be-
reits jetzt schon sehr wenige Konzerne al-
les über uns wissen und die Datennutzung
dem unternehmerischen Gewinnstreben
unterwerfen. So werden wenige Menschen
zum Kontrolleur und Vermarkter der per-
sönlichen Informationen. Ein alter Spruch
sagt „Wissen ist Macht“. Der Spruch trifft
hier zu 100 % zu.
Mein Tipp aus Sicht eines Datenschutz-
experten: Zahlen Sie, wenn möglich, für
die Nutzung von Diensten mit „Euro“ (z. B.
Threema anstelle von Whatsapp), und Ihre
Daten werden nicht automatisch zur Geld-
quelle für andere. Denken Sie immer daran,
es gibt kein Netzwerk, dass Sie „umsonst“
nutzen können! Posten Sie nur Informa-
tionen, die Sie auch ans Schwarze Brett
hängen würden, denn jede Sicherheitsein-
stellung zum Schutz der Informationen
könnte vom Betreiber zurückgenommen
werden, und schon können vertrauliche
Informationen über Sie für unberechtigte
Dritte verfügbar werden.
1
2
Lohnt sich
Datenschutz
überhaupt noch?
Mit Datenschutz verbinden viele
Menschen, dass das Arbeiten mit
modernen Kommunikationsmitteln
erschwert wird. Diese Annahme wird
durch die von mir ausgegebenen These
„mehr Datenschutz = weniger Komfort“
noch verstärkt.
Text: Michael J. Schöpf
A
ber was bedeutet es andersherum,
demDatenschutz nicht die Bedeutung
zu geben, die viele Experten – und auch
ich – fordern? Ein Grundbedürfnis von Pri-
vatpersonen und Unternehmen ist es, dass
nur „Berechtigte“ den Zugriff auf persönliche
oder unternehmerische Daten haben.
Abhängig von der Schutzwürdigkeit der
Informationen muss jedes Unternehmen
die technischen und organisatorischen
Maßnahmen so gestalten, dass ein „ver-
nünftiger“ Datenschutz gewährleistet ist.
Ein „Zuviel“ an Datenschutz kann jedoch
auch das Gegenteil bedeuten. Das Thema
Datenschutz ist unter anderem im Bundes-
datenschutzgesetz geregelt, dass dem-
nächst durch eine einheitliche EU-Daten-
schutzgesetzgebung abgelöst werden soll.
Der Zukunftsforscher Franz-Josef Rader-
macher, Mitglied des Club of Rome, hat
anlässlich einer Lions-Veranstaltung ver-
deutlicht, was es für uns bedeutet, wenn
maßlos persönliche Daten und unser Nut-
zungsverhalten gesammelt und verarbeitet
werden. Prof. Radermacher erläuterte, dass
es gar nicht mehr notwendig sei, Sensoren
im Körper zu implementieren, um zu wis-
sen, was eine Person (demnächst) vorhat.
Durch die Vielzahl der Informationen, die
viele Menschen freiwillig und mit großer
Freude über sich in den diversen Netz-
werken, wie z. B. Facebook und Whats-
app, oder über neue „Uhren“
.
sueddeutsche.de/gesundheit/apple-watch-
im-gesundheitsmarkt-die-uhr-die-alles-
wissen-will-1.2126250) preisgeben, sind
die Betreiber dieser Netzwerke in der Lage,
vorherzusehen, was wir in der Zukunft vor-
haben oder was mit uns gerade passiert.
Sehe ich das zu kritisch? Bin ich ein Verhin-
derer von neuen Innovationen?
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