DAS QUARTAL 4.2013 - page 22

DAS QUARTAL 4.13
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Themen im Fokus
Chancen und Risiken in der Euro-
zone – die Krise auf dem Rückzug?
Marktkommentar der quirin bank AG / 4. Quartal 2013
Text: von Philipp Dobbert (Volkswirtschaft) • quirin bank AG
R
uhig ist es geworden um die Krise der
Eurozone. Wo vor einigenMonaten noch
fast im Minutentakt immer neue Hiobs-
botschaften bekannt wurden und vielfach
das Ende des Euro – zumindest in seiner
jetzigen Zusammensetzung–als imGrunde
unmittelbar bevorstehend angesehenwurde,
dringen jetzt fast kaum noch Krisennach-
richten in die breitere Öffentlichkeit. Nur
kurz vor der Bundestagswahl ging es wieder
einmal um Griechenland und die nun wohl
allenthalben verinnerlichte Tatsache, dass
es ohne eine weitere Schuldenerleichterung
für den Krisenstaat nicht gehen wird. Aber
sonst: Funkstille.
Genauso wenig wie sich dieser Umstand
einer medialen Euro-Beruhigung bestrei-
ten lässt, kann aber von der Hand gewiesen
werden, dass die Eurokrise alles andere als
gelöst ist. Zwar mag die Berichterstattung
weniger dramatisch ausfallen als zuvor;
die grundlegenden Probleme des gemein-
samen Währungsraums sind aber im We-
sentlichen die gleichen wie bislang. Ein
zu ungleicher Wirtschaftsraum mit stark
unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit
und teilweise schon fast gegenläufiger
Wirtschaftspolitik kann mit einer gemein-
samen Währung einfach nicht reibungslos
funktionieren. Und solange diese funda-
mentalen Faktoren der Währungsunion
sich nicht verbessern, kann auch eine noch
so kraftvolle Ankündigung der gemeinsa-
men Zentralbank zur Stützung des Euro,
»koste es, was es wolle«, letztlich nur eins:
Zeit kaufen. Und das ist letzten Endes doch
alles, was wir in den letzten Monaten erle-
ben konnten, oder?
Alles eine Chimäre also, die Beruhigung der
Eurokrise? Bereits die Tatsache, dass die
Überschrift dieses Artikels die Worte Chan-
ce und Eurozone in einem Atemzug nennt
und Ihnen dies möglicherweise bis hierhin
nicht aufgefallen ist, mag ein mögliches
Indiz dafür sein, dass sich in der Eurozone
mehr getan hat, als dass sich die Medien
bloß – angesichts spannenderer Entwick-
lungen etwa in den USA – von der Euro-
krise ab- und anderen Krisen zugewandt
haben. Die einzelnen Faktoren sollen hier
möglichst neutral präsentiert und abgewo-
gen werden, um schließlich eine ganz ent-
scheidende Frage zu stellen: Rückt Euro-
land unter Kapitalanlagegesichtspunkten
möglicherweise wieder mehr in den Fokus?
Die akute Eurokrise auf dem Rückzug?
Regelmäßige Leser von navigator und
quiriner wissen, wie sich die Trennung von
akuter und chronischer Eurokrise syste-
matisch durch unsere bisherigen Ana-
lysen zum Thema zieht. Und auch in der
aktuellen Situation macht es sich wieder
einmal bezahlt, diese beiden Dimensionen
der Krise der Eurozone sauber auseinan-
derzuhalten. Unter der akuten Eurokrise ist
dabei die Befürchtung zu verstehen, dass
der Euro in unmittelbarer Zukunft über-
haupt nicht mehr oder nicht mehr in der
aktuellen Zusammensetzung besteht. Die
akute Eurokrise drückt sich also im Grunde
in der Angst vor dem Auseinanderbrechen
des gemeinsamen Währungsraums aus.
Diese Angst ist – das lässt sich anhand
verschiedener volkswirtschaftlicher Indi-
katoren zeigen – tatsächlich seit Monaten
rückläufig. Als ein Indikator wären z. B. die
sogenannten Target2-Verbindlichkeiten
der Krisenländer zu nennen. Diese Tar-
get2-Verbindlichkeiten messen, wie viel
Notfallliquidität in den Euro-Krisenländern
durch die Europäische Zentralbank (EZB)
bereitgestellt werden muss, die dann auf-
grund der genannten Angst vor einem
Euro-Zusammenbruch aus diesen Krisen-
ländern in die als sicher wahrgenommenen
Euro-Kernländer – allen voran Deutschland
– fließt. Je höher also die Target2-Ver-
bindlichkeit eines Eurokrisenstaats, umso
mehr von der EZB bereitgestellte Geld-
mittel haben diesen Euro-Wackelkandida-
ten in Richtung der sichereren Eurostaaten
verlassen. Umgekehrt gilt, dass ein Rück-
gang der Target2-Verbindlichkeiten dieser
Länder (vor allemein schneller und in hohem
Umfang stattfindender) darauf hindeutet,
dass die wahrgenommenen Risiken für
einen Euro-Austritt der jeweiligen Länder
als geringer bzw. rückläufig eingeschätzt
werden.
Ein Blick auf die Grafik zeigt den Rückgang
der beschriebenen Risiken sehr deutlich.
Seit der Ankündigung von EZB-Präsident
Draghi im letzten Sommer, alles für den
Erhalt des Euro zu unternehmen, sind die
Target2-Verbindlichkeiten insbesondere
der größeren Krisenstaaten Spanien und
Italien fast kontinuierlich und überaus
signifikant zurückgegangen. Ganz offen-
sichtlich ist hier einiges an Fluchtkapital
zurückgekehrt, das zwischenzeitlich wegen
der Befürchtung eines Euro-Austritts das
Land verlassen hatte. Ähnliche Befunde
lassen sich etwa anhand der Entwicklung
der Renditen von spanischen und italie-
nischen Staatsanleihen, der rückläufigen
Prämien für Kreditausfallversicherungen
für Staatstitel der jeweiligen Länder oder
auch der rückläufigen Liquiditätsbereitstel-
lung der EZB an die Banken im Euroraum
ablesen.
Target2-Verbindlichkeiten
der Euro-Krisenländer
Quellen: ifo Institut, eigene Darstellung
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