DAS QUARTAL 3.2015 - page 30

DAS QUARTAL 3.15
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Themen im Fokus
Lohnsteuer-Nachschau:
Vorteil durch Makellosigkeit
Betriebsprüfer dürfen ohne Anmeldung die Geschäftsräume betreten, Lohn­
unterlagen einsehen und bei Auffälligkeiten eine umfassende Lohnsteuer-
Außenprüfung starten. Daher sollten Zahlen mit dem Steuerberater
gut aufbereitet und dokumentiert werden.
Text: Sigrun an der Heiden
D
em Thema Betriebsprüfung begegnet
Thomas Bulle gelassen. In den letzten
Jahren erlebte der kaufmännische Leiter
der Schondelmaier GmbH Presswerk im
baden-württembergischenGutachmehrfach,
dass Kontrolleure des Finanzamts gezielt
dort nachbohren, wo sich vermutlich Geld
eintreiben lässt: „Die haben ein Handbuch,
das typische Fehler der Unternehmen auflis-
tet.“ Auch der Betrieb, der kaltfließgepresste
hochwertige Bauteile für die Automobil- und
Nutzfahrzeugindustrie entwickelt und fertigt,
musste schon Lohnsteuer nachzahlen. „Wir
waren davon ausgegangen, dassGeschenke
an Geschäftsfreunde von der Lohnsteuer
befreit sind“, so Bulle. Im konkreten Fall traf
dies jedoch nicht zu.
Kontrolleure mit mehr Rechten
Für den Betriebswirt war das ärgerlich,
aber kein Beinbruch. Weil Bulle weiß, dass
der Teufel beim Lohnsteuerrecht im Detail
steckt, achtet er generell akribisch darauf,
dass steuerlich relevante Zahlungen in der
Lohnbuchhaltung exakt erfasst und sau-
ber dokumentiert werden: „Die Unterlagen
sind elektronisch vorhanden, sodass wir sie
dem Prüfer binnen einer Stunde vollständig
vorlegen können.“ Beanstandet der etwas,
wird reagiert. Strittige Fragen bespricht der
kaufmännische Leiter mit dem Steuerbera-
ter. Die 30-prozentige Pauschalsteuer für
betrieblich veranlasste Sachzuwendungen
(etwa Weihnachtspräsente an Geschäfts-
partner) führt der Familienbetrieb seit dem
Hinweis des Finanzamts korrekt ab. Daher
sagt Bulle: „Auf die nächste Prüfung sind
wir gut vorbereitet, selbst wenn sie unan-
gekündigt erfolgt.“
Das können vermutlich nur wenige Unter-
nehmer behaupten. Immer wieder sind
Lohnsteuernachzahlungen fällig, wenn
der Fiskus Gehaltsabrechnungen und
Belege prüft. Und Firmenchefs müssen
zunehmend mit unangekündigten Kon­
trollen rechnen, seit der Gesetzgeber den
Finanzämtern eine neue Waffe gegeben
hat: die Lohnsteuer-Nachschau. Analog
zum Umsatzsteuerrecht räumt er der Fi-
nanzverwaltung umfangreiche Rechte ein,
konkretisiert in einem Schreiben des Bun-
desministers für Finanzen vom Oktober
2014. „Kontrolleure dürfen unangekündigt
den Betrieb während der Geschäfts- und
Arbeitszeiten betreten und Einsicht in die
Lohnunterlagen nehmen“, so Roman Seer,
Professor für Steuerrecht an der Universi-
tät Bochum. Sie prüfen, ob Lohn und Ge-
halt korrekt abgerechnet und versteuert
wurden. Vorrangig dient die Lohnsteuer-
Nachschau dazu, Schwarzarbeit aufzu-
decken sowie die Scheinselbstständigkeit
zu bekämpfen. Besonders im Fokus der
Kontrolleure stehen daher Baubranche,
Gastronomie und Betriebsneugründungen.
Prüfer begutachten die Räume
Oft werden die Prüfer durch eine kurze Kon-
trollmitteilung oder Buchungsfehler ver-
gangener Jahre auf den Plan gerufen. „Die
Finanzbeamten verschaffen sich vor Ort
einen Eindruck von den räumlichen Verhält-
nissen, dem tatsächlich eingesetzten Per-
sonal und dem üblichen Geschäftsbetrieb“,
so Edgar Wilk, Präsident der Steuerberater-
kammer Rheinland-Pfalz. Sie kontrollieren,
ob der Firmenchef die Lohnkonten richtig
führt, den Aufzeichnungspflichten nach-
kommt und Belege vorweisen kann. Zudem
prüfen sie bei Betrieben mit vielen Aushilfen
und Minijobbern, ob die Arbeitsverhältnisse
steuerlich korrekt eingestuft und verbucht
wurden. Fehler sind schnell passiert, zumal
der Verdienst von Minijobbern durch die
Einführung des Mindestlohns leicht über
die steuerbegünstigte 450-Euro-Grenze
rutschen kann.
Heikel wird es, wenn die Lohnsteuer-Nach-
schau neue Fragen aufwirft und der Prüfer
steuerliche Unregelmäßigkeiten vermutet
oder Fehler beim Steuerabzug entdeckt.
„Dann darf er nahtlos zur umfangreichen
Lohnsteuer-Außenprüfung übergehen“,
warnt Seer. Ob er die Lohnbuchhaltung
auf Herz und Nieren prüft, ist Ermessenssa-
che. Falls der Firmenchef nicht kooperiert,
sondern auf Zeit spielt oder Unterlagen
vorenthält, wird der Prüfer wahrscheinlich
die Lohnkonten, Personalakten, Verträge
und Belege über steuerfrei gezahlte Extras
genau ansehen sowie die Gehaltsabrech-
nungen mehrerer Jahre prüfen. Eine Prü-
fungsanordnung braucht er nicht. „Er muss
den Unternehmer nur schriftlich darauf hin-
weisen, dass sich eine Lohnsteuer-Außen-
prüfung anschließt“, sagt Seer. Außerdem
darf der Prüfer eine Geldbuße verhängen.
Das Verzögerungsgeld beträgt mindestens
2.500 Euro. Wer dieses Szenario nicht vor-
her mit seinem Steuerberater durchgespielt
hat, wird meistens kalt erwischt. Anders als
bei einer routinemäßigen Lohnsteuerprü-
fung, die der Fiskus zwei Wochen vorher
ankündigt, bleibt bei einer Nachschau mit
anschließender Außenprüfung keine Zeit,
sich vorzubereiten und die Unterlagen auf
Vordermann zu bringen. Der Finanzbeamte
muss nicht einmal auf das Eintreffen des
LOHNSTEUER-NACHSCHAU
Diese Rechte hat der Prüfer
BETRETEN:
Er kann unangekündigt in alle beruflich oder gewerblich genutzten Räume
gehen, auch ins häusliche Arbeitszimmer. Rein privat genutzte Räume sind aber tabu,
und er darf Geschäftsräume weder durchsuchen noch Unterlagen beschlagnahmen.
EINSEHEN:
Er darf Lohn- und Gehaltsunterlagen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäfts-
papiere und andere Urkunden studieren, die zur Ermittlung der Lohnsteuer relevant
sind, und die Vorlage von Lohnabrechnungen verlangen.
BEFRAGEN:
Er darf Arbeitgeber wie Mitarbeiter befragen sowie Auskünfte über Art
und Höhe ihrer Einkünfte von den Beschäftigten fordern. Beide sind zur Mitwirkung
verpflichtet.
DRUCKEN LASSEN:
Er darf auf Daten der Lohnbuchhaltung zugreifen, wenn es erlaubt
wird. Verweigert der Firmenchef die Zustimmung, muss er die Daten ausgedruckt
aushändigen.
AUSWEITEN:
Er kann von der Nachschau nahtlos zur umfangreichen Lohnsteuer-
Außenprüfung übergehen, wenn er dazu Veranlassung sieht.
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