DAS QUARTAL 3.2019

DAS QUARTAL 3.19 20 Themen im Fokus Was verantwortliche Geldanlage heute bedeutet Text: Arndt Kussmann, Quirin Privatbank AG • Nachhaltige Geldanlage hat den Ruf, zulasten der Rendite zu gehen. • Tatsächlich sorgen mangelnde Informationen vielfach für unnötiges Risiko in der nachhaltigen Geldanlage. • Doch Verantwortung für die Geldanlage und Verantwortung für die Zukunft lassen sich gut vereinen. „Nachhaltigkeit“ ist inzwischen ein all- gegenwärtiger Begriff. Kaum eine politi- sche Rede oder ein Unternehmensbericht kommt mehr ohne ihn aus. Inzwischen ist „Nachhaltigkeit“ so oft verwendet und so unterschiedlich interpretiert worden, dass sich vielen Zeitgenossen die Vermutung aufdrängt, es handele sich inzwischen nur noch um eine leere Worthülse. Doch weit gefehlt! Nie standen die Zeichen der Zeit besser, um den Terminus „Nachhaltigkeit“ mit Leben zu füllen. Ein Ziel, aber viele Meinungen Die Erkenntnisse über den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel und seine verheerenden Auswirkungen sind nicht mehr wegzudiskutieren. Leben und Kon- sum von über 7,5 Mrd. Menschen gehen nicht spurlos an unserem Planeten vorü- ber. Nicht ohne Grund mahnen weltweit Schüler ein politisches und gesellschaft- liches Umdenken an. Es wird ihre Gene- ration sein, die mit den Folgen des Klima- wandels und der Umweltzerstörung leben muss. Auch wenn uns diese Folgen heute noch weit entfernt erscheinen. Das Ziel, die Lebensgrundlagen für gegen- wärtige und zukünftige Generationen zu erhalten, ist grundsätzlich konsensfähig. Die Antwort auf die Frage, wie das zu errei- chen ist, ist dagegen deutlich komplizierter. Je nachdem, wen man fragt, treten unter- schiedliche Themen, Prioritäten, aber auch Vorstellungen über Moral und eine bessere Zukunft zutage. Sie alle fließen in den Be- griff „Nachhaltigkeit“ ein und sorgen dafür, dass er eher abstrakt bleibt. So hat beispielsweise die engagierte Um- weltschützerin ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit als der Tierfreund. Die junge Mutter aus Berlin Friedrichshain hat andere Prioritäten in puncto nachhaltige Entwick- lung als der Landwirt aus Süddeutschland. Auch zwischen Forschern und Umweltor- ganisationen gibt es immer wieder deutli- che Meinungsverschiedenheiten darüber, was nachhaltig ist und was nicht. Gleich- zeitig agieren politische Protagonisten viel- fach kontraproduktiv, indem sie postulieren, dass Nachhaltigkeit nur mit Hilfe von dras- tischen staatlich-autoritären Maßnahmen erreicht werden kann oder dass im Rahmen von Nachhaltigkeit der heutige Wohlstand und der künftige Erhalt der Lebensgrund- lagen unvereinbar sind. Was ist möglich? Um unversöhnliche Ziele handelt es sich bei Wohlstand und Nachhaltigkeit jedoch keineswegs. In jedem Lebensbereich gibt es inzwischen Angebote, die uns ermög- lichen, nachhaltiger zu leben, ohne uns in asketischem Verzicht zu üben. Und auch der Aufbau und die Vermehrung von Wohl- stand – der Sinn der Vermögensanlage – sind mit Nachhaltigkeit vereinbar. Denn nachhaltige Unternehmen schaffen na- türlich nicht nur ideologischen Mehrwert, sondern auch wirtschaftlichen. Tatsächlich ist eine nachhaltige Vermö- gensanlage offiziell schon seit Jahrzehn- ten möglich. Als nachhaltig deklarierte aktiv gemanagte Fonds gibt es seit über 30 Jah- ren in den unterschiedlichsten Facetten. Angefangen bei Fonds, deren Ansätze nur vordergründig nachhaltig erscheinen, über Branchenfonds aus dem Bereich der erneu- erbaren Energien oder Ansätze wie „Best in Class“, bei denen jeweils nur in die besten Titel einer bestimmten Branche investiert wird, bis hin zu geradezu puritanischen An- sätzen, die kaum noch ein Unternehmen erfüllen kann. Der Vielfalt der Ansätze sind kaum Grenzen gesetzt – den Resultaten dagegen schon. Dies hat auch dazu ge- führt, dass nachhaltige Anlage wahlweise nur als „grüne Fassade“ oder etwas für „Weltverbesserer“ angesehen wird. Informationen sind der Schlüssel Um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens beurteilen zu können, sind viele Informatio- nen und eine dauerhafte Überwachung not- wendig. Diese Bedingungen führten in der Vergangenheit bei vielen aktiv verwalteten Fonds zu einer sehr überschaubaren Wert- papierauswahl und somit zu sehr konzen­ trierten Portfolios. Ein Umstand, der tatsäch- lich auch heute noch aktuell ist. Die Mehrheit der großen und weltweit investierenden ak- tiven Nachhaltigkeitsfonds hat weniger als einhundert Positionen im Portfolio. Das ist weniger als ein Sechzehntel des MSCI World Index und reicht bei Weitem nicht, um eine Diversifizierung zu gewährleisten, die Risi- ken ausreichend minimiert. Da die notwendigen Informationen zur Beurteilung von Nachhaltigkeit nicht stan- dardisiert und daher schlecht vergleichbar waren, war die darauf basierende Unter- nehmensauswahl stark von der subjektiven Interpretation des jeweiligen Fondsmana- gers abhängig. Auch hier sehen wir bis heu- te im Bereich des aktiven Fondsmanage- ments kaum eine Veränderung. Dabei müsste das nicht mehr so sein. Denn durch die Digitalisierung und Vernetzung wurde in den letzten Jahren nicht nur die Verfügbarkeit von Informationen deutlich verbessert, sondern auch die Informati- onstiefe. Für nachhaltige Geldanlage sind möglichst umfangreiche Informationen zur Geschäftstätigkeit von Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Denn nur so lassen sich belastbare Vergleiche an- stellen und man kann prüfen, ob es sich bei einem Bekenntnis zum Wandel um ein echtes Versprechen oder nur um ein Lippenbekenntnis handelt. Heute ist das bewertbare Wertpapieruniversum um ein Vielfaches größer und die Unternehmens- bewertungen mit Blick auf die Nachhaltig- keit sind deutlich objektiver. Mittlerweile ist es also nicht nur möglich, deutlich mehr Unternehmen hinsichtlich ih- rer Nachhaltigkeit zu analysieren, auch Da- tenumfang und Genauigkeit sind deutlich verbessert. Der Datenanbieter MSCI ESG Research plant, bis Ende dieses Jahres ca. 9.000 Unternehmen abzudecken. Und für jedes davon sollen mehr als 150 Nachhal- tigkeitskennzahlen berechnet werden. Damit wurden perfekte Voraussetzungen für eine diversifizierte und kosteneffiziente Geldanlage mittels ETFs und Anlageklas-

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