DAS QUARTAL 3.2019

Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg aktuellen Aufträge zu besprechen. Häufig bleibt ein breiter Interpretationsspielraum, ob im konkreten Fall nicht vielleicht doch Scheinselbstständigkeit vorliegen könnte. Hier können die Experten wertvolle Tipps geben, wie sich Vertragsgestaltung und praktische Zusammenarbeit verbessern ließen. Mit dem Ziel, dass bei einem jeder- zeit möglichen Statusfeststellungsverfah- ren das Ergebnis eindeutig „Selbstständige Tätigkeit“ lautet. Wobei nicht nur das Sta- tusfeststellungsverfahren ein Risiko ist. Oft landen Streitfälle gleich vor dem Kadi. Und dann müssen Sozialrichter im Einzel- fall entscheiden, ob es nun um eine echte oder eine nur scheinbare Selbständigkeit geht. Solange sich der Bundesarbeitsmi- nister vor einer Beantwortung der Frage drückt, wie genau die Definition aussehen soll, bleibt das den Gerichten überlassen. Aktuelle Urteile sorgen für einen gewissen Erkenntnisgewinn, manchmal aber auch für mehr Verunsicherung. Anpassung an Abläufe ist keine Einglie­ derung in Organisation Wichtig ist insbesondere die Frage der Eingliederung in die Organisation. Laut Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist eine freiberufliche Content-Managerin für Social Media trotz regelmäßiger Anwe- senheit im Betrieb nicht scheinselbstän- dig. Rasche technische Veränderungen verlangten die aktuelle Präsenz des Zu- ständigen, auch wenn dieser selbststän- dig ist. Das Sozialgericht Stuttgart meint, Dozenten an Weiterbildungsinstituten sei- en bei weitergehender Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers abhängig beschäftigt. Nicht aber bei jeder Anpas- sung an Betriebsabläufe. Der betreffende Dozent musste weder Verwaltungsaufga- ben übernehmen noch Kollegen vertreten. Er konnte nicht für andere Kurse eingesetzt, seine Teilnahme an Veranstaltungen nicht angeordnet werden. Allein die Tatsache, dass Lehrpläne zu beachten sind, begründe keine Weisungsabhängigkeit in fachlicher Hinsicht, solange auf Basis allgemeiner Re- gelungen die Selbstständige Unterrichtsge- staltung erhalten bleibe. Ähnlich entschied in einem anderen Fall das Bundessozial- gericht: Nur weil ein freiberuflicher Mu- siklehrer das Lehrplanwerk des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) beachtet, wird er nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter der Musikschule. Ohne Unternehmerrisiko keine Selbst- ständige Tätigkeit Etwas anders sind konkrete Vorgaben vom Chef. Das Landessozialgericht Nie- dersachsen-Bremen hielt einen Fußball- trainer für sozialversicherungspflichtig, der vom Vorstand ins Zusammenwirken vieler Personen eingebunden wurde und kein Unternehmerrisiko trug. Auch war er weisungsabhängig, der Verein konnte Leis- tungen durch Einzelangaben konkretisie- ren. Nachzahlung zur Sozialversicherung nach einer Betriebsprüfung: 15.000 Euro. Honorarkräfte im Pflegebereich von Kran- kenhäusern sind laut Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ebenfalls sozialver- sicherungspflichtig – zumindest, wenn sie in organisatorische Abläufe der Station eingegliedert sind und nach verbindlichen Dienst- und Schichtplänen sowie vom Arzt vorgegebenen Therapieplänen arbeiten. Die in diesem engen Rahmen gegenüber An- gestellten etwas größeren Freiheiten seien keine weitgehende Weisungsfreiheit, die typisch für Selbstständige ist. Ähnliches gilt laut Landessozialgericht München beim Rundgangleiter eines Dokumenta- tionszentrums. Er sei – unabhängig vom Vertrag über freie Mitarbeit – weisungsge- bunden, in die Arbeitsorganisation einge- bunden, ohne unternehmerisches Risiko. Und das Sozialgericht Dortmund hielt einen Taxifahrer für sozialversicherungspflichtig, der der Taxizentrale Miete für das genutz- te Fahrzeug zahlte, aber ansonsten wie ein festangestellter Fahrer eingesetzt wurde. Hohe Honorare sprechen gegen Schein- selbstständigkeit Auch zu den anderen Kriterien für die Fest- stellung von Scheinselbstständigkeit gibt es Urteile. So hat beispielsweise das Bun- dessozialgericht (BSG) entscheiden, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) einen Heilpraktiker zu Unrecht als schein- selbstständig abstempelte. Die Richter setzten das auf die Stunde herunterge- brochene Honorar in Relation zum Gehalt eines vergleichbaren Angestellten. Ihr Fa- zit: Ermöglichen relativ hohe Einnahmen einer Honorarkraft die Eigenvorsorge, sei dies ein gewichtiges Indiz für Selbständig- keit. Also ein Urteil im Sinn vor allem jener hoch qualifizierten Solo-Selbstständigen etwa in der IT-Branche, die gute Honorare durchsetzen können. Sie haben nicht das Gefühl, dass der Bundesarbeitsminister sie schützen muss. Aber wirklich sicheren Boden bieten gerichtliche Entscheidun- gen nicht. Schon das nächste Urteil kann aufgrund der schwammigen Kriterien für Scheinselbstständigkeit ganz anders aus- fallen. Deshalb bleibt doch die regelmäßige Besprechung mit Steuerberater und Anwalt empfehlenswert. DAS QUARTAL 3.19 19 Themen im Fokus

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