DAS QUARTAL 2.2020

Beim Probearbeiten auf Vergütung und Versicherung achten Viele Firmen wollen Bewerber testen. Doch langes Probearbeiten ohne Vergütung verstößt gegen geltendes Recht, und die Versicherung ist ein heikles Thema. Der Anwalt kann erklären, was bei Versicherung und Bezahlung von Probearbeitern zu beachten ist. Text: Sigrun an der Heiden I st ein Bewerber wirklich so gut, wie er sich verkauft? Wenn Chefs kein siche- res Gefühl haben, laden sie Kandidaten oft zum Probearbeiten ein, auf freiwilliger Basis und ohne Bezahlung. Wenige Tage Hineinschnuppern in einen Betrieb – das ist erlaubt und gängige Praxis bei der Bewerberauswahl. Solange es für beide Seiten unverbindlich bleibt, fällt beim Pro- bearbeiten keine Vergütung an. Schließlich dient es nur dem Kennenlernen. Deshalb findet das Probearbeiten ohne Vertrag und gegenseitige Rechte oder Pflichten statt. Unternehmer müssen jedoch einige Spiel- regeln beachten, damit kein Probearbeiten zumArbeitsverhältnismutiert. Einen Vertrag hat der Bewerber zwar nicht unterschrieben. Er könnte aber einen einklagen, wenn er richtig mitarbeiten muss. Dann würde ihm für das Probearbeiten eine angemessene Bezahlung zustehen. Knifflig ist auch der Zusammenhang von Probearbeiten und Versicherung. Ereignet sich während der Schnupperphase imBetrieb ein Unfall, zahlt die gesetzliche Unfallversicherung nicht immer. Firmenchefs sollten diese Aspekte unbedingt mit einem Anwalt besprechen. Freiwilliges Probearbeiten ohne Vergütung anbieten Experten bezeichnen Probearbeiten als „Einfühlungsverhältnis“. Bewerber lernen die betrieblichen Abläufe sowie künftige Aufgaben und Kollegen kennen. Der Ar- beitgeber wiederum sieht, welcher Kan- didat ins Team passt, bevor er nach dem Probearbeiten einen Vertrag anbietet. Ziel ist es also, sich für einen Bewerber zu entscheiden. Davon abzugrenzen ist die klassische Probezeit im neuen Job oder ein befristetes Arbeitsverhältnis. Beide enden nach Ablauf der vereinbarten Frist. Dagegen schließen die Parteien beim Pro- bearbeiten keinen Vertrag, alles geschieht auf freiwilliger Basis. Der Bewerber blickt erfahrenen Mitarbeitern über die Schulter und lernt den Joballtag kennen. Erledigt er dabei kleinere Aufgaben, lässt sich sei- ne Eignung für den Job leicht testen. Bei Probearbeiten ist keine Vergütung vorge- sehen. Die Dauer der Testphase ist ge- setzlich nicht geregelt, eine Grauzone die Versicherung. Das heißt aber nicht, dass bei Probearbeiten alles erlaubt ist, nur weil es keinen Vertrag gibt. Wer in den Betrieb hineinschnuppert, läuft nur mit und ist kei- ne kostenlose Arbeitskraft. Stets sollte Probearbeiten ohne Bezahlung stattfinden Heikles Thema ist beim Probearbeiten die Vergütung. Kommt der Bewerber zum Schnuppern in den Betrieb und erledigt keine konkreten Aufgaben, sollte er fürs Probearbeiten keine Bezahlung erhalten. Weil der Kandidat nicht angestellt ist, muss der Unternehmer ihn weder bei den Sozialversicherungen anmelden noch be- zahlen. Selbst wenn der Jobanwärter für die Firma nützliche Tätigkeiten verrichtet, besteht während der Probearbeiten auf Bezahlung kein Anspruch. Auch der Min- destlohn gilt nicht. Arbeitsrechtler raten Firmenchefs sogar davon ab, Lohn zu zah- len. Landet solch ein Fall vor Gericht, er- klären Richter diese Schnuppertage sonst erfahrungsgemäß schnell zum Arbeitsver- hältnis. Auch bei Probearbeiten ohne Ver- trag in Schriftform. Meistens übernehmen Firmen allerdings Fahrtkosten oder zahlen eine kleine Aufwandsentschädigung. Dann sollten sie – aber nur nach Absprache mit dem Anwalt – eine entsprechende schrift- liche Vereinbarung mit dem Bewerber schließen. Sie muss regeln, wie das Pro- bearbeiten abläuft und klarstellen, dass die gezahlte Aufwandsentschädigung keine Vergütung für geleistete Arbeit ist. Probearbeiten mit Vertrag kann Unternehmer absichern Sind die Spielregeln vorher klar, gibt es kei- ne Probleme. Eine schriftliche Vereinbarung hilft, die Schnupperphase von einem regu- lären Arbeitsverhältnis abzugrenzen. Beim Probearbeiten mit Vertrag macht dieser deutlich, dass es sich um eine für beide Seiten unverbindliche Kennenlernphase handelt. Weder ist der Bewerber zur Ar- beitsleistung verpflichtet, noch erteilt der Firmenchef ihm Weisungen. In die Verein- barung gehören folgende Punkte: ● Name des Jobanwärters ● Ort, Dauer und Zweck des Probearbeitens ● Betonung der Freiwilligkeit: keine Pflicht zur Arbeitsleistung ● Beide Parteien können das Probearbeiten jederzeit beenden ● Ansprechpartner für den Bewerber ● Hinweis auf das Hausrecht des Unter- nehmers ● Keine Bezahlung für geleistete Arbeit, maximal Aufwandsentschädigung oder Fahrtkostenerstattung ● Kein Anspruch auf Festanstellung Bei der Formulierung hilft der Anwalt. Wich- tig zu wissen: Der Vertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist, wenn die Schnupperphase in der Praxis anders abläuft. Unternehmer müssen beim Probearbeiten bei Vergütung und Bezah- lung vorsichtig agieren und sollten auch an die Versicherung denken. Großes Risiko ist ein Vertrag durch die Hintertür Je länger die Testphase dauert, desto ris- kanter ist sie. Häufig geht sie dann über ein „Einfühlungsverhältnis“ hinaus. Üblich ist ein Probearbeitstag. Denkbar sind auchmehrere Tage, falls Aufgaben, die der Kandidat künftig übernehmen soll, nur an bestimmten Wo- chentagen anfallen. Dann ist es aber besser, der Bewerber kommt täglich nur wenige Stunden. Wer Jobanwärter eine Woche oder länger zum Probearbeiten ohne Bezahlung oder Vergütung antanzen lässt, bewegt sich rechtlich auf dünnemEis. Gibt der Firmenchef die Anweisung, Aufgaben zu erledigen, für die andere Personen ein Gehalt beziehen, ist das kein Probearbeiten mehr. Gerichte ent- scheiden dann meistens für den Bewerber –wegen stillschweigendemAbschluss eines Arbeitsvertrags. Auch ohne schriftlichen Ver- trag entsteht beimProbearbeiten ein Arbeits- verhältnis, wenn der Bewerber in den Betrieb eingegliedert ist. Der Arbeitgeber kann dem Mitarbeiter dann nur imRahmen der gesetz- lichen Fristen kündigen. Der Betrieb müsste DAS QUARTAL 2.20 26 Themen im Fokus

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