DAS QUARTAL 2.2020

DAS QUARTAL 2.20 20 Themen im Fokus gibt es innerhalb der Europäischen Union starke Bestrebungen, sogenannte Euro- bonds aufzulegen, für deren Rückzahlung alle Mitglieder der Europäischen Wirt- schafts- und Währungsunion (EWWU) ge- meinschaftlich geradestehen würden. Der ökonomische Hintergrund ist offenkundig: Seit der Euro-Krise existieren innerhalb des gemeinschaftlichen Währungsraums mehr oder weniger ausgeprägte Zinsdiffe- renzen, welche die unterschiedlichen Bo- nitäten der diversen Länder widerspiegeln. Deutschland und die Niederlande zahlen dabei regelmäßig die geringsten Zinsen, was für eine gute Bonität und Vertrauen in das jeweilige Land steht. Derzeit sind die deutschen Zinsen in allen Laufzeiten sogar negativ (vgl. Abbildung). Vor diesem Hintergrund ist es nachvoll- ziehbar, dass Hochzinsländer wie bei- spielsweise Italien bestrebt sind, durch die Einführung von Gemeinschaftsanleihen an der Bonität der Niedrigzinsländer anzudo- cken, um sich auf diese Weise günstigere Refinanzierungskosten für ihre Staatsver - schuldung zu sichern. Und es wird auch verständlich, dass der entsprechende Druck umso höher wird, je krisenhafter sich die wirtschaftliche Situation in den Hochzinsländern zuspitzt. Denn genau in solchen Phasen werden dringend zusätz- liche Kredite benötigt, um die Konjunktur zu stabilisieren. Es ist daher kein Zufall, dass speziell Italien in der aktuellen Coronakrise den massiven Versuch unternommen hat, Eurobonds durchzusetzen. Wie man in den letzten Tagen und Wochen hören konnte, wurde dies von Deutschland und den Nie- derlanden erneut abgelehnt und das Thema fürs Erste von der Agenda genommen. Doch wird dies auch so bleiben? Nach un- serer Überzeugung eben genau dann nicht, wenn es der EZB durch das Urteil des Bun- desverfassungsgerichts erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden soll- te, ihre Kaufprogramme für europäische Staatsanleihen durchzusetzen. Denn genau diese Kaufprogramme dienten bisher unter anderem auch als Ersatz für die eigentlich gewünschten Eurobonds. Um dieses Argument nachvollziehen zu können, muss man sich vor Augen füh- ren, dass es den europäischen Hoch- zinsländern nicht um die Gemeinschafts- anleihen an sich geht, sondern dass das eigentliche Ziel darin besteht, sich für die entsprechenden Staatsschulden günsti- ge Finanzierungskonditionen, sprich Zin- sen, zu sichern. Ökonomisch betrachtet macht es nun keinen Unterschied, ob die Zinsen deshalb niedrig sind, weil die EZB beispielsweise italienische Anleihen auf- kauft – was durch die Kaufprogramme ja geschieht –, oder ob sie gering sind, weil staatliche Kredite zinsgünstig im Rahmen von Gemeinschaftsanleihen aufgenommen werden können. Anders ausgedrückt: Bisher dienten die Kaufprogramme der EZB gewissermaßen auch als eine Art Ventil, um den Druck ab- zuleiten, der durch das Drängen nach euro- päischen Gemeinschaftsanleihen entstand. Wenn dieses Ventil aber durch das Urteil des deutschen Verfassungsgerichts wo- möglich geschlossen wird, dann wird der Druck enorm ansteigen – und wir sind der Überzeugung, dass ihm Deutschland und die Niederlande nicht standhalten werden. Zumal mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU auch ein wichtiger Verbündeter innerhalb der Anti-Eurobond-Fraktion aus- geschieden ist und es ja auch in Deutsch- land starke Kräfte gibt, die für europäische Gemeinschaftsanleihen plädieren. Alles in allem ist nach unserer Überzeugung die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, dass wir tatsächlich Eurobonds erleben werden. Was bedeutet dies für Sie als Anleger? Was nun die Auswirkungen einer ja kei- neswegs sicheren Einführung der Ge- meinschaftsanleihen auf die Finanzmärkte anbelangt, halten wir es für zwingend erfor- AUFGEBLÄHTE EZB-BILANZ in Mrd. Euro Stand: 08.05.2020 Quellen: Bloomberg, eigene Darstellung Diese Zahlenangaben beziehen sich auf die Vergangenheit. Die frühere Entwicklung ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. AUSGEWÄHLTE ZINSSTRUKTURKURVEN Zinsniveaus maßgeblicher Laufzeiten (1 bis 30 Jahre) Stand: 14.05.2020 Quellen: Bloomberg, eigene Darstellung Diese Zahlenangaben stellen eine Momentaufnahme dar. Sie ist kein verlässlicher Indikator für künftige Entwicklungen.

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