DAS QUARTAL 4.2019

DAS QUARTAL 4.19 20 Themen im Fokus Sind Indexanleger asozial? Text: Prof. Dr. Stefan May (Leiter Anlagemanagement) Immer wieder wird der Vorwurf erhoben, dass Indexanlagen im Gegensatz zu aktiv gemanagten Investmentfonds die Lenkungs- und Allokationsfunktion der Finanzmärkte zerstören würden. Dieses Argument wurde vom Autor bereits vor drei Jahren mit dem Ver- weis auf die geringen Marktanteile von Indexanlagen entkräftet. Im vorliegenden Beitrag wird nun ergänzend argumentiert, dass eine Störung der Allokationsfunktion der Kapitalmärkte durch Indexanlagen auch aus der Perspektive der Finanzmarkttheorie nicht überzeugend begründet werden kann. I n regelmäßigen Abständen taucht in der Fachpresse die Vermutung auf, dass sich Anleger von indexnahenFinanzmarktproduk- ten gesamtwirtschaftlich unverantwortlich, ja sogar „asozial“ verhalten würden, und zwar ohne sich dessen bewusst zu sein. Der Hintergrund dieses Vorwurfs ist zunächst durchaus plausibel: Wenn sehr viele Anleger, speziell an den Aktienmärkten, in Indexpro- dukteoder ähnlicheAnlagen investieren, dann orientieren sie sich mit ihren Anlagegeldern nicht mehr gezielt an der Produktivität und Innovationskraft einzelner Unternehmen, sondern lediglich breit gestreut an der je- weiligen Indexgewichtung. Auf diese Weise würden die angelegten Mittel nicht mehr in diejenigen Unternehmen gelenkt, die die Gelder ameffizientesten verwenden, sondern gewissermaßen „gleichmacherisch“ verteilt. Dies führe dazu, dass die Kapitalmärkte ihre sowichtige Lenkungs- und Allokationsfunk- tion verlieren würden. Wie eingangs bereits erwähnt, hat der Au- tor dieses Beitrags die Kritik bereits vor drei Jahren in einem kurzen Artikel („Indexna- hes Investieren – schlimmer als Marxis- mus?“) aufgegriffen und dargelegt, dass sie nicht gerechtfertigt ist. Das Hauptargument lag damals in den relativ geringen Volumi- na, welche bis dato in indexnahe Anlagen geflossen waren. Auch heute liegt ein wirk- lich markanter Marktanteil noch in weiter Ferne. Die seinerzeitige Argumentation gilt also nach wie vor und soll nachfol- gend noch detaillierter ausgeführt werden. Darüber hinaus gilt aber auch: Selbst bei einem deutlich größeren Marktanteil stel- len indexnahe Anlagen auch aus finanz- markttheoretischen Gründen keine Gefahr für die Funktionsweise der Finanzmärkte dar. Das übliche Argument, mit dem diese Gefahr begründet wird, greift bei genauerer Betrachtung nämlich zu kurz, was im Fol- genden begründet wird. Finanzierungsquellen der Unternehmen – Innenfinanzierung dominant Vertreter der These, dass der Zuwachs indexnaher Anlagen die Lenkungs- und Allokationsfunktion der Finanzmärkte beeinträchtigen würde, verkennen einen wichtigen Aspekt der gesamten Finanzie- rungssituation von Unternehmen: Unter den verschiedenen Möglichkeiten der Fi- nanzierung hat die sogenannte Innenfinan- zierung die mit Abstand größte Bedeutung. Die entsprechenden konkreten Zahlen hier- zu schwanken sehr stark, weisen jedoch auch historisch gesehen auf ein deutliches Übergewicht der Innenfinanzierung bei trendmäßigem Anstieg hin. Hinzu kommt, dass es vor allem innovative Projekte sind, die vorrangig innenfinanziert werden, wie eine aktuelle Studie der Kreditanstalt für Wideraufbau (KfW) belegt. Zusammengefasst heißt dies konkret: Vor allem erfolgreiche und innovative Un- ternehmen erhalten ihre Finanzmittel im Wesentlichen nicht von externen Kapital- gebern, sondern von ihren Kunden. Damit sind sie in der Lage, nötige Investitionen aus eigener Ertragskraft, d. h. durch die Umsatzerlöse aus verkauften Produkten und Dienstleistungen zu finanzieren. Dies gilt in besonderem Maße für deutsche Unternehmen, in etwas abgeschwächter Form aber auch im internationalen Kontext. Apple beispielsweise wurde nicht deshalb zu dem Unternehmen, das es heute ist, weil Unternehmensanalysten eine positi- ve Bewertung schrieben und ihm dadurch Finanzmittel verschafften, sondern weil die Kunden von den Produkten überzeugt waren und deshalb massenhaft beispiels- weise iPhones kauften. Es lässt sich daher festhalten: Die we- sentlichen Kapitalgeber erfolgreicher Un- ternehmen sind dessen Kunden und nicht externe Investoren. Die Diskussion um die ENTWICKLUNG DES INNENFINANZIERUNGSANTEILS NICHT FINANZIELLER KAPITALGESELLSCHAFTEN IN DEUTSCHLAND Hinweis: Die schattierten hellgrauen Flächen stellen den Zeitraum von konjunkturellen Hoch- bis Tiefpunkten des saison- und kalenderbereinigten Bruttoinlandsprodukts dar. Stand: 30.06.2010 Quelle: Bundesbank

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