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THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 2.12
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Dollar pro Barrel), der weniger Abbild einer
robusten globalen Konjunkturentwicklung
ist, sondern vielmehr auf die Sorge vor einer
Eskalation im ölreichen Nahen Osten (Stich-
wort Iran) zurückzuführen ist. Sollte sich die
Lage weiter zuspitzen und beispielsweise
der Iran – wie angedroht – die Straße von
Hormus blockieren (durch den Seeweg wird
täglich rund ein Fünftel des täglichen globa-
len Ölbedarfs verschifft), drohen noch deut-
lich höhere Ölpreise.
Brisant:
5 der 6 vergangenen Rezessionen in
den USA seit Anfang der 1970er-Jahre gin-
gen u. a. mit stark steigenden Ölnotierungen
einher. Lediglich der rasante Ölpreisanstieg
in den Jahren 2003 bis 2007 konnte durch die
boomenden Schwellenländer aufgefangen
werden, die durch ihr stürmisches Wachs-
tum für wirtschaftliche Stabilität sorgten.
Kurzum: Die Ölpreisnotierungen und die
geopolitische Entwicklung rund um den
Nahen Osten gilt es weiterhin sehr genau zu
verfolgen.
Dass trotz der jüngst wieder vermehrt
auftretenden Unsicherheitsfaktoren vorerst
nicht mit starken Markteinbrüchen (vor
allem bei den risikobehafteten Anlageklas-
sen) zu rechnen ist, ist auf die anhaltend
hohe Liquidität und den allseits herrschen-
den Anlagenotstand (Zinsen für solide Anlei-
hen verharren auf absoluten Tiefstniveaus)
zurückzuführen.
Die jüngsten Liquiditätsspritzen der EZB
in Form der günstigen Kreditvergabe an die
Wahlen auch in Frankreich.
Linksruck mög-
lich: Darauf deutet zumindest das Wahler-
gebnis des amtierenden Präsidenten Sarko-
zy hin. Widersacher Hollande aus dem
sozialistischen Lager ging als Gewinner aus
dem ersten Wahlgang hervor, was Befürch-
tungen schürt, dass die Franzosen in Zu-
kunft den EU-Fiskalpakt aufweichen und
ihre Spardisziplin vernachlässigen könnten,
denn dies sind die Pläne von Monsieur Hol-
lande. Noch mehr Ungemach dürfte ein
ebenfalls möglicher Rechtsdrall mit sich
bringen, für den Fall, dass die Partei Front
National zukünftig stärkere Mitsprache-
rechte erhält. Die rechtsextreme Partei
dürfte noch viel stärker am jetzigen Fiskal-
pakt sägen als die Sozialisten und sich im
Extremfall gar für den Euro-Ausstieg einset-
zen.
Regierungsstreit in den Niederlanden.
Selbst in den Kernländern bringt die Euro-
Krise nun Regierungen zu Fall. In Holland
zerbrach die Regierungskoalition wegen
eines Etatstreits und nun droht unserem
Nachbarland der Verlust der Topbonitätsno-
te AAA, da nach den jüngsten Entwicklungen
vorerst keine Sparbeschlüsse im Staats-
haushalt mehr gefasst werden können.
Die Krux: Die politischen Einflüsse auf die Fi-
nanzmärkte nehmen weiter zu, was die Kal-
kulierbarkeit der künftigen Entwicklung
deutlich erschwert und folglich eine grund-
sätzlich nach wie vor defensive und flexible
Anlagestrategie erfordert.
Zwar künden die Konjunkturdaten ledig-
lich in der kriselnden Euro-Zone von einer
Rezession (wobei Deutschland noch ver-
gleichsweise gut dasteht) und in den USA
und den Schwellenländern sind kurzfristig
keine Wachstumseinbrüche zu erwarten, die
konjunkturelle Dynamik ist aber noch deut-
lich zu schwach, um an den Finanzmärkten
für einen Befreiungsschlag zu sorgen.
Ein Sorgenkind ist in diesem Zusammen-
hang auch der anhaltend hohe Ölpreis
(Nordsee-Ölsorte Brent aktuell 118,70 US-
G
eblendet durch den außergewöhnlich
guten Jahresauftakt an den Aktienbör-
sen – trotz der jüngsten Kurskorrektur
weist der DAX immer noch ein Plus von rund
12 % seit Jahresbeginn auf – gaben sich eini-
ge Finanzmarktakteure offenbar falschen Il-
lusionen hin. Dass die US-Wirtschaft auf den
lang ersehnten nachhaltigen Wachstums­
trend zurückkehren wird, ist (z. B. aufgrund
des noch zu schwachen Arbeitsmarkts)
ebenso ein Trugschluss wie die Einschät-
zung, dass die Politik die Euro-Krise nach
der gelungenen Griechenlandumschuldung
und den massiven Kreditvergaben der EZB
weitgehend in den Griff bekommen hat.
Dass Letzteres nicht der Fall ist, haben ins-
besondere die letzten Tage und Wochen ge-
zeigt, die gleich eine ganze Reihe von neuen
(teils aber auch alten und lediglich wieder-
belebten) Störfaktoren (zurück) auf die Ta-
gesordnung brachten:
Spanien gerät mehr und mehr ins Kreuz-
feuer.
Die rigorosen Sparmaßnahmen der
Iberer verschärfen die dortige Rezession,
was wiederum die ehrgeizigen Sparziele un-
terwandert. Dass dieser Teufelskreis dazu
führt, dass die Spanier letztendlich auch un-
ter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen
müssen, ist keineswegs ausgeschlossen.
Die Renditen spanischer Staatsanleihen
stiegen zuletzt wieder auf bedenkliche Ni-
veaus (zeitweise über 6 % p. a. für 10-jährige
Papiere). Auch der ohnehin (durch die hei-
mische Immobilienkrise) geplagte spanische
Bankensektor leidet zunehmend und könnte
bald neue Finanzspritzen benötigen.
Urnengang in Griechenland.
Auch in Grie-
chenland ist überhaupt noch nicht absehbar,
wann die hartnäckige Rezession ihr Ende
findet. Die bevorstehenden Wahlen Anfang
Mai schüren auch über die griechischen
Grenzen hinaus Unsicherheit, weil fraglich
ist, ob die neu gewählte Regierung den strik-
ten Sparkurs der noch amtierenden Über-
gangsregierung fortsetzen wird.
Politische Börsen und
entfesselte Notenbanken
Marktkommentar der quirin bank AG / 2. Quartal 2012
Text:
Arndt Kussmann
(Finanzanalyse) • quirin bank AG
Quelle: stepmap.de