Seite 23 - AUSGABE_28___QUARTAL_2_2012

Basic HTML-Version

THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 2.12
23
Die von uns bereits seit Jahren (zu Recht)
favorisierten Unternehmensanleihen er-
freuten sich allerdings in den letzten Mona-
ten zunehmend größerer Beliebtheit in der
breiten Anlegerschaft.
Die daraus resultierenden Kurssteige-
rungen (und somit sinkenden Renditen) ha-
ben dazu geführt, dass nicht wenige Anlei-
hen aus der bonitätsmäßig oberen
Investmentklasse (Investment-Grade = Ra-
ting AAA bis BBB-) über kein optimales Ren-
dite-Risiko-Verhältnis mehr verfügen. Einige
solide Unternehmensbonds werfen gar nach
Abzug der Inflationsrate (also real) keinen
positiven Ertrag mehr ab – analog zu Bun-
desanleihen, wo dieses Phänomen im nega-
tiven Sinne allerdings noch deutlich ausge-
prägter ist.
Es gilt also derzeit genau abzuwägen, wel-
che Firmenbonds noch lohnenswert sind
und welche nicht. Angesichts des weiterhin
schwer kalkulierbaren Marktumfeldes sollte
man unter Sicherheitsaspekten von einer
höheren Anleihequote im Depot dennoch
nicht abrücken. Die Selektion der richtigen
Anleihemischung für ein Portfolio ist aller-
dings noch anspruchsvoller geworden.
Dabei ist die Verlockung groß, angesichts
der dahinschmelzenden Renditeniveaus
schlechtere Schuldnerbonitäten und somit
höhere Risiken in Kauf zu nehmen. Wer eine
entsprechende Risikobereitschaft und -trag-
fähigkeit mitbringt, kann in diesem Zusam-
menhang durchaus an Beimischungen im
Bereich der spekulativen Hochzinsanleihen
oder Schwellenländerbonds denken, sollte
dabei aber ausdrücklich maßvoll agieren,
damit die Portfoliorisiken nicht aus dem Ru-
der laufen. Dazu trägt bei letztgenannten An-
lagesegmenten auch eine breite Streuung
mit Hilfe geeigneter ETF- oder Fondslö-
sungen bei.
Die Streuung über vorwiegend überschau-
bare Restlaufzeiten und die Vermeidung von
Klumpenrisiken auf der Emittentenseite
bleiben bei der konkreten Ausgestaltung des
Anleiheblocks ebenso elementar.
Aktien.
Die positive (indirekte) Wirkung der
eingangs erwähnten Geldspritzen der No-
tenbanken auf die Aktienmärkte haben wir
zu Jahresbeginn durchaus unterschätzt. Sie
haben die latenten Belastungsfaktoren an
den Finanzmärkten stärker übertüncht als
erwartet. Mittlerweile kann man davon aus-
gehen, dass starke Korrekturen an den Ak-
tienmärkten ausbleiben dürften, solange die
Notenbanken im Ernstfall die Geldschleusen
weit öffnen. Bei einigen Aktienmarktteilneh-
mern hat sich in den letzten Wochen gar Ent-
täuschung breitgemacht, wenn Konjunktur-
daten zu gut ausfielen, weil das die
Wahrscheinlichkeit neuerlicher Liquiditäts-
zufuhren senkte – eine paradoxe Situation.
zeichnet (siehe Beitrag von Herrn Philipp
Dobbert), bleibt eine gewisse Flexibilität Ge-
bot der Stunde. Mit einem zu starr ausge-
richteten Portfolio können Sie als Anleger
nur unzureichend auf die sich schnell
ändernden Marktgegebenheiten reagieren.
Halten Sie dementsprechend einen spür-
baren Anteil Ihrer Anlagemittel liquide.
Immobilien(-fonds).
Wie erwartet, hat sich
die Lage dieser Anlageklasse nicht aufge-
hellt. Im Gegenteil: Nachdem sich bereits 6
Gewerbeimmobilienfonds in der Abwicklung
befinden, droht einem Großteil der 7 derzeit
noch eingefrorenen (ehemals offenen) Im-
mobilienfonds ebenfalls die endgültige
Schließung.
Es ist durchaus möglich, dass sich im
Zuge der Auflösung/Abwicklung eines sol-
chen Fonds höhere Erlöse ergeben, als man
sie derzeit mittels eines vorzeitigen Verkaufs
der Fondsanteile über die Börse erzielen
kann – seriös prognostizieren kann man dies
aber weiterhin nicht. Dafür sind einfach zu
viele Unbekannte im Spiel. Der erhöhte Ver-
kaufsdruck der Fonds im Zuge der Abwick-
lung kann beispielsweise zu deutlichen
Preisabschlägen bei den zu veräußernden
Objekten führen. Zukäufe im Bereich der Ge-
werbeimmobilienfonds (auch bei noch geöff-
neten Vehikeln) möchten wir nach wie vor
nicht empfehlen.
Der Bereich der Wohnimmobilienfonds
bleibt hingegen als Beimischung weiterhin
eine Option, um die Anlageklasse Immobili-
en letztendlich doch noch zu besetzen. In
Anbetracht unserer Konjunkturskepsis füh-
len wir uns mit einem Wohnimmobilienin-
vestment auch wesentlich wohler als mit
einem konjunktursensibleren Gewerbeim-
mobilienfonds. Ein Manko: Leider gibt es bis
dato nur sehr wenige investierbare Anlage-
produkte für den Privatinvestor.
Renten.
Das aktuelle Zinsumfeld entwickelt
sich vor allem für Investoren auf der Renten-
seite immer mehr zum Dilemma. Wir sehen
weiterhin wenig zündende Argumente für
verstärkte Investments im Bereich der
Staats- oder Bankanleihen.
europäischen Banken sind aber offenbar
noch nicht in nennenswertem Umfang an
den Finanzmärkten angekommen. Darauf
deutet das anhaltend hohe Level der sog.
Einlagefazilität hin (kurzfristige Geldanlagen
der Banken bei der EZB).
Die Finanzinstitute des Euro-Raums stre-
ben also immer noch primär nach Sicher-
heit. Sollte sich die Lage an der Euro-Front
wieder beruhigen, könnte sich dieser Trend
allerdings umkehren, so dass auch von die-
ser Seite dann frische Gelder den Weg an die
Finanzmärkte finden könnten.
Bis dato scheinen die EZB-Tender die Ak-
tienbörsen eher auf einem Umweg begüns­
tigt zu haben. Sie haben für eine gewisse
Beruhigung des Marktumfeldes gesorgt und
somit neue Investoren in die Aktien ange-
lockt – wahrscheinlich aber weniger europä-
ische Banken, sondern eher (Hedge-)Fonds
oder institutionelle Investoren aus Großbri-
tannien oder Übersee.
Das Tauziehen zwischen der massiven Li-
quidität einerseits, die für eine gewisse Be-
ruhigung sorgt und gleichzeitig nach Anla-
gemöglichkeiten
sucht,
und
den
Störeinflüssen der Staatsschulden- und
Bankenkrise andererseits wird auch in den
nächsten Monaten das Geschehen an den
Finanzmärkten bestimmen.
Dabei gilt es, neben den politischen Strö-
mungen und Entscheidungen das Augen-
merk insbesondere auf die Liquiditätsver-
sorgung der Notenbanken zu legen, die
jederzeit zu kurstreibenden Maßnahmen (in
Form von neuen Liquiditätsspritzen) greifen
könnten. Nachfolgend möchten wir Ihnen
darlegen, was Sie als privater Investor vor
dem Hintergrund des geschilderten Markt­
umfeldes in der Anlagepraxis derzeit primär
beachten sollten. Wie gewohnt (siehe auch
Januar-Ausgabe des navigators) beleuchten
wir dazu die einzelnen Anlageklassen:
Liquidität.
Da nach wie vor unklar ist, ob die
Politik den Staatsschuldenkrisen wird Ein-
halt gebieten können, und weil sich auch
konjunkturell noch kein klares Szenario ab-
Eiszeit für Immobilienfonds
Fondsvolumen in Mrd. €
Quelle: BVI, FAZ
Einlagefazilität in Mrd. €
(Linie = 1-Monats-Durchschnitt)
Quelle: WestLB