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DAS QUARTAL 1.12
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HSP PRAXISHINWEISE
Kontoabruf für außersteuerliche Zwecke.
Zentrale Bedeutung er-
langt der Kontoabruf seit Einführung der Abgeltungsteuer für außer-
steuerliche Zwecke. Dazu zählen u. a. die Überprüfung des Arbeits-
losengeldes II, der Sozialhilfe, der Ausbildungsförderung, der
Aufstiegsförderung und des Wohngeldes. Berechnungen der Bundes-
anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zufolge als auch
jüngsten Veröffentlichungen des Bundes­finanzministeriums zeigen,
dass insbesondere die Abrufe des Bundeszentralamtes für Steuern
deutlich um 32 % auf mehr als 56.000 zugenommen haben. Das Bun-
deszentralamt für Steuern ruft Konten im Auftrag von Finanzbehörden
und jenen Behörden ab, die für die Genehmigung von BAföG, Sozial-
hilfe oder Wohngeld zuständig sind. Sprechen Sie uns auf diese The-
men im Rahmen Ihres nächsten Besuches an oder vereinbaren Sie
gerne einen Gesprächstermin.
Wann Sie weiter im Visier des Fiskus stehen
• Ausforschung der Kapitalerträge vor 2009
Der automatisierte Kontoabruf wird von den Finanzbehörden unserer
Erfahrung nach häufig zur Ermittlung steuerpflichtiger Kapitalerträ-
ge aus den Jahren vor 2009 genutzt. Zur Aufdeckung von Altfällen vor
der Abgeltungsteuer wird der Kontoabruf noch bis zum Ende der für
die Steuerhinterziehung geltenden langen Festsetzungsverjährungs-
frist von 10 Jahren uneingeschränkt durchgeführt werden, also noch
bis einschließlich 2018.
• Veranlagungswahlrecht
Nach der Abgabenordnung sind die Abrufe von Konten jener Steuer-
pflichtigen zulässig, die von ihrem Veranlagungswahlrecht Gebrauch
machen. Mit diesem Veranlagungswahlrecht können Sie beantragen,
dass Ihre Kapitaleinkünfte dem allgemeinen Steuertarif unterworfen
werden sollen. Letzteres ist unter bestimmten Voraussetzungen von
Vorteil. Diesbezüglich halten wir Infomaterial für Sie bereit und er-
läutern Ihnen gerne, ob eine solche Antragsveranlagung für Sie sinn-
voll ist.
• Einbezug der Kapitalerträge in den „Einkünftebegriff“
Unter bestimmten Voraussetzungen müssen die Kapitaleinkünfte zur
Berechnung der Summe der Einkünfte oder des Gesamtbetrags der
Einkünfte usw. herangezogen werden. Auch hierfür ermitteln die
Finanzbehörden mithilfe des Kontoabrufs.
• Erhebung bundesgesetzlich geregelter Steuern
Der Kontoabruf ist auch zulässig zur Erhebung diverser Steuern auf
Bundesebene. Nähere Auskünfte darüber erteilen wir Ihnen gerne.
• Wenn Sie Sozialleistungen beantragen oder beziehen
Schließlich müssen Sie mit einer Überprüfung Ihrer Vermögensver-
hältnisse rechnen, wenn Sie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Aus­
bildungsförderung usw. beziehen.
Handlungsempfehlungen.
Werden Sie von einem beabsichtigten Kon-
toabruf informiert, können Sie entweder mit Ihrem Finanzamt koope-
rieren und alle erforderlichen Unterlagen und Nachweise vorlegen
oder Sie lassen es tatsächlich auf den Kontoabruf ankommen. Ent-
scheiden Sie sich für die erste Variante, legen Sie aber unter Umstän-
den mehr offen, als die Finanzverwaltung durch einen Kontoabruf in
Erfahrung bringen könnte. Wir empfehlen Ihnen daher, in solchen
Fällen mit uns Kontakt aufzunehmen. Was genau die Finanzverwal-
tung durch den Kontoabruf erfährt, erläutern wir Ihnen gerne in einem
persönlichen Gespräch.
Sofern Sie mit einem drohenden Kontoabruf allerdings die Aufde-
ckung bislang dem Finanzamt verborgen gebliebener Inlandskonten
bzw. nicht deklarierter Bankvermögenswerte befürchten, sollten Sie
schnellstmöglich mit uns Kontakt aufnehmen. Wir können Sie in die-
sem Fall unter Umständen noch mit einer Selbstanzeige vor einer
Strafe schützen. Eine solche Selbstanzeige muss jedoch schnell ein-
gereicht werden – schneller als die Finanzverwaltung alle Informati-
onen sichten und bearbeiten kann, die sie über das mittels Abruf
ausgespähte undeklarierte Vermögen erhalten hat. Andernfalls tritt
eine sog. „Sperrwirkung“ ein: Eine Selbstanzeige nach Eintritt dieser
Automatisierter Kontenabruf
Gegenüber Ihrem Finanzamt haben Sie auch zwei Jahre nach Einführung der sog. Abgeltungsteuer auf Kapital­einkünfte keinerlei
Privatsphäre mehr. Zwar führen die Banken die Abgeltungsteuer „anonym“ an den Fiskus ab. Die Finanzbehörden verfügen
jedoch über ein in Europa einzigartiges Instrument zur Ermittlung privater Vermögensverhältnisse eines jeden Steuerbürgers:
den Kontoabruf. Von diesem wird nach meinen/unseren Informationen rege Gebrauch gemacht. Im Jahr 2010 haben
Behörden, Polizei und Staatsanwaltschaft mehr als 162.000-mal private Konten durchleuchtet. Das war ein Anstieg der
Kontoabfragen binnen Jahresfrist um 20 %.
Der Kontoabruf basiert auf § 24c des Kreditwesengesetzes. Dieser verpflichtet die Banken, diverse Kontostamm­daten zu speichern
und den Finanzbehörden zum Abruf zur Verfügung zu stellen. An das System des Kontenabrufverfahrens sind alle Kreditinstitute
angeschlossen, auch inländische Zweigstellen ausländischer Banken, z. B. alle deutschen Niederlassungen Schweizer Banken.
Der Kontoabruf sollte eigentlich mit Einführung der Abgeltungsteuer zurückgefahren werden. Geplant war, diesen darauf zu
beschränken, wo noch eine Erforderlichkeit besteht, Konten und Depots eines Steuerpflichtigen zu ermitteln. Somit wird eine
gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Steuern gewährleistet.