DAS QUARTAL 1.2019

D as Wort des Jahres und das Unwort des Jahres 2018 sind bereits gewählt – aber „Brexit“ oder „Brexit-Chaos“ wären auch würdige Titelträger gewesen. Wie erwartet, hat das Unterhaus in London den Vertrag abgelehnt, mit dem Premierministerin The- resaMay Großbritannien geregelt aus der EU führen wollte. Nun ist völlig unklar, was zum offiziellen Austrittsdatum am 29. März 2019 passiert. „Schmerz, Wut und Ratlosigkeit“ titelt etwa die „Tagesschau“ und beschreibt, wie sich die EU-Kommission jetzt auf einen harten Brexit vorbereitet, also eine Trennung ohneVereinbarung zu künftigenRechten und Pflichten. Und zitiert zur Beschreibungder ak- tuellenSituationdieirischeEuropaabgeordnete Mairead McGuinness mit der Feststellung: „Sicher ist nur eines, alles ist unsicher!“ Die Unsicherheit beim Brexit ist größer denn je Unsicherheit: Genau das mögen die weit- aus meisten Unternehmer gar nicht. Noch schlimmer ist für Firmenchefs nur, wenn sich Unsicherheit sogar mit Zeitdruck paart, so wie jetzt beim Brexit. Nicht nur, dass nie- mand weiß, wie es weitergeht. Die Lösung für den geordneten Brexit muss auch noch bis zum 29. März vereinbart sein, sonst ist Großbritannienmöglicherweise einfach raus. Das würde bedeuten: Kaumnoch entspann- te Rahmenbedingungen bei Geschäften und Reisen auf der Insel. Die wurden bislang durch Regeln zum freien Verkehr von Per- sonen, Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU garantiert. Stattdessen Zölle sowie Papierkrieg in Form von Import- und Exportbescheinigungen oder Visa für die Grenzüberquerung. Ob es wirklich so kommt? Keiner weiß es, es herrscht Unsicherheit. Viele Mittelständler haben den Brexit bis­ her ignoriert Wobei: Eigentlich ist die Zeit der Unsicherheit vorbei. Zumindest für jene vielen Unterneh- mer, die bisher nicht genau wussten, ob sie sich überhaupt mit demThema beschäftigen sollten. Sie wähnten sich nicht betroffen oder glaubten an eine Austrittsvereinbarung. Diese Firmenchefsmüssen das Thema jetzt rasch angehen. Fast 40 Prozent der deutschen Mittelständler antworteten kurz nach dem Brexit-Votum auf die Frage, ob der Austritt Großbritanniens gut oder schlecht für die EU sei, dass sie dazu keine Meinung haben. Auch in den folgenden zwei Jahren kümmer- ten sich vor allem die Verantwortlichen in kleineren und mittelgroßen Betrieben wenig um das Thema. Erst vor Kurzem begannen sie nach Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), den Ernst der Lage zu erkennen – und mit einer Situati- onsanalyse. Oft aber doch zu spät oder zu wenig: Die IHK München und Oberbayern etwa meint, der Mittelstand in Oberbayern sei kaum auf den Brexit vorbereitet. Der Brexit kann jeden direkt oder indirekt betreffen Also: Spätestens jetzt, wo der harte Brexit zur realen Gefahr wird, muss jeder Firmen- chef reagieren. Er sollte in enger Abstim- mung mit Anwalt und Steuerberater genau prüfen, ob seine Firma nicht doch direkt oder indirekt vomBrexit betroffen ist. Auswirkun- gen hat der EU-Austritt Großbritanniens – egal in welcher Form – auf alle Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit, insbesondere: • Warenverkehr • Transport • Finanzdienstleistungen und Versiche- rungen • Personal und Bildung • Verträge • Gewerbliche Schutzrechte und Normen • Steuern Mit größter Sicherheit dürfte deshalb jeder Unternehmer irgendwo einen Punkt finden, wo er reagieren muss. Es könnte etwa passieren, dass über den in England produzierenden Zulieferer eines Zulieferers die Versorgungskette durch drohende Zollkontrollen reißt. Oder Lieferverzöge- rungen innerhalb der Sup- ply Chain zu Zahlungs- verzögerungen und so möglicherweise zu Liquiditätsengpäs- sen bei einem der Beteiligten führen. Auch wennman das entsprechende Vorpro- dukt selbst nicht braucht, droht über finanzi- elle Verbindungen oder Zahlungsflüsse eine erhöhte Ansteckungsgefahr für alle Partner. Jetzt noch eine Last-minute-Brexit- Strategie erstellen Noch ist es nicht zu spät, das eigene Unter- nehmen auf indirekte Probleme durch den Brexit vorzubereiten. Dazu könnte gehören, mit demSteuerberater die Auswirkungen auf die Liquidität zu berechnen. Etwa für den Fall, dass die Umsätze eines in England tätigen Geschäftspartners einbrechen und er in Zah- lungsschwierigkeiten gerät. Wer diesen Fall schon jetzt mit der Bank bespricht, ist etwa durch eine kurzfristig erhöhte Kreditlinie auf Turbulenzen vorbereitet. Politik und Verbände bieten wertvolle Informationen und Check- listen an, die Unternehmern bei der Erstel- lung ihrer persönlichen Last-minute-Brexit- Strategie helfen sowie auf das Gesprächmit Anwalt und Steuerberater vorbereiten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Ener- gie informiert grundlegend über den Brexit. Der BDI hat „111 Orientierungsfragen für die Praxis“ zusammengestellt. Und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIKH) ermöglicht es Unternehmern, sich durch Checklisten für einzelne Themenbereiche zu klicken, um zu sehen, von welchen Auswir- kungen des Brexit er betroffen sein könnte. Worauf warten Sie noch? Erarbeiten Sie rasch eine Last- minute-Strategie zum Brexit Irgendwie trifft der Brexit jeden Betrieb, etwa über die Lieferkette oder Liquiditäts­ probleme bei Kunden. Firmenchefs müssen sich darauf vorbereiten. Da das Risiko des ungeregelten EU-Austritts von Großbritannien steigt, sind schnell wirksame Vorkehrungen zu treffen. Text: Frank Wiercks DAS QUARTAL 1.19 29 Themen im Fokus Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg

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