Seite 22 - AUSGABE_26___QUARTAL_4_2011

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Der Abschwung kommt
Marktkommentar der quirin bank AG / 4. Quartal 2011
Der kurzen Euphorie folgt die voraussichtlich lange Ernüchterung: Für die Weltwirtschaft stehen die Zeichen auf Ab-
schwung. Nach der erstaunlich schnellen und kräftigen Erholung vom Rezessionstief in 2009 setzt hier jetzt eine Norma-
lisierung ein.
Text:
Philipp Dobbert,
Volkswirt • quirin bank AG
D
ie hohen Wachstumsraten der welt-
wirtschaftlichen Expansion von Pro-
duktion und Handel, von denen vor
allem auch Deutschland profitiert hatte,
waren in erster Linie das Ergebnis von er-
heblichen wirtschaftspolitischen Eingriffen
in Form von erhöhten Staatsausgaben (Fis-
kalpolitik) und von durch die Notenbanken
extrem erhöhten Geldmengen (Geldpolitik).
Dass sich die Wachstumsgeschwindigkeit
nach dem Ende der expansiven Fiskalpo-
litik nun zumindest verlangsamt, ist inso-
fern nicht verwunderlich. Allerdings ist die
Zwischenzeit nicht genutzt worden, um die
Probleme der internationalen Großbanken in
den Griff zu bekommen und einen nachhal-
tigen Ansatz für die öffentliche Haushaltspo-
litik nach der Krise zu entwickeln. Die nun
bestehende Konstellation aus Staatsschul-
den- und Bankenkrise führt – insbesondere
in der Euro-Zone – zu einer immensen Un-
sicherheit, die auf den Wirtschaftskreislauf
drückt. Die Wachstumsverlangsamung wird
dadurch deutlich verstärkt.
Auch die großen Schwellenländer kön-
nen sich dieser Entwicklung nicht entziehen.
Teilweise tragen sie – wie vor allem China
aufgrund des Hauspreisbooms und des wa-
ckeligen Bankensektors – auch selbst un-
mittelbar mit zur Verunsicherung über den
gesamtwirtschaftlichen Ausblick bei. Mit ei-
ner globalen Rezession wie in 2009 ist aber
aus unserer Sicht derzeit nicht zu rechnen.
So hat sich etwa der Rückgang der OECD-
Frühindikatoren zuletzt überraschend nicht
mehr beschleunigt.
Je nach der weiteren Entwicklung der
Euro-Krise kann sich dieses Szenario aber
durchaus ändern – ein ungeordneter Zu-
sammenbruch der Euro-Zone hätte über An-
steckungseffekte und ohnehin geschwächte
Bankbilanzen gravierende Auswirkungen.
In jedem Fall ist klar: Das kurze Intermezzo
kräftigen Wachstums ist damit wieder vor-
bei.
Verhaltene Aussichten in den USA.
Etwas
gebessert hat sich in den letzten Wochen
der Ausblick für die USA. Nachdem hier zu
Anfang des 4. Quartals eine Rezession un-
mittelbar bevorzustehen schien, haben sich
seitdem einige wichtige Indikatoren wie der
Arbeitsmarkt, die Einzelhandelsumsätze
oder die Industrieproduktion entweder nicht
mehr verschlechtert oder sogar überra-
schend gebessert. Dies ändert aber nichts
an der Tatsache, dass einige andere Indika-
toren wie z. B. der Frühindikator des ECRI-
Instituts, der in den letzten 15 Jahren eine
Trefferquote von 100 % vorweisen konnte,
nach wie vor eine Rezession für die USA si-
gnalisieren. Selbst wenn dies nicht der Fall
sein sollte, wird sich aber auch und vor allem
in den USA die Wachstumsgeschwindigkeit
erheblich verlangsamen. Darauf deuten be-
reits die Konjunkturindikatoren wie z. B. das
reale BIP-Wachstum und die Arbeitslosen-
quote hin, die sich bis zuletzt – für die USA
OECD-FRÜHINDIKATOREN (100=LANGFRISTIGER
TREND)
Quelle: OECD, eig. Berechnungen
KONJUNKTURINDIKATOREN USA
Quelle: Bloomberg, eig. Berechnungen; Progno-
sen: Bloomberg-Median
KONJUNKTURINDIKATOREN DEUTSCHLAND
Quelle: Bloomberg, eig. Berechnungen; Progno-
sen: Bloomberg-Median
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DAS QUARTAL 4.11
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