DAS QUARTAL 4.2018

DAS QUARTAL 4.18 20 Themen im Fokus Mediale Berichterstattung über ETF-Risiken: Klartext oder Märchenstunde? • Die Entwicklungen an den Finanzmärkten sollten kritisch und mit professioneller Distanz betrachtet werden – sowohl von Anlage- managern als auch von den Finanzmedien • Objektive Berichterstattung muss alle relevanten Fakten beleuchten • Speziell wenn es um ETFs geht, geschieht dies leider häufig nicht S pätestensseit derWahl vonDonaldTrump zumPräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnen viele unsere Zeit als postfaktisch – eine Zeit also, in der die Bedeutung von Tatsachen abnimmt. Über diesen Begriff könnte man leidenschaftlich streiten, nicht zuletzt da er impliziert, es hätte zuvor ein faktisches Zeitalter gegeben. Ein wichtiger Aspekt in der Debatte rund um diesen Begriff ist die hohe Bedeutung einer gemeinsamen universellen Realität als Grundlage der Unterscheidung zwischen Fakten, Behauptungen oder Meinungen. Leider mangelt es an einer solchen ge- meinsamen Realität nicht nur zunehmend in der globalen Politik. So mehren sich z. B. auch in der Berichterstattung über Finanzthemen die postfaktischen Ten- denzen. Schauen wir uns ein Themenfeld an, das Ihre Geldanlage und unsere Arbeit als Vermögensverwalter direkt betrifft: die Berichterstattung über ETFs. Es geht also um die Anlageinstrumente, die es auch Pri- vatanlegern möglich machen, zu geringen Kosten, transparent und effizient z. B. in die weltweiten Aktienmärkte zu investieren. Die unendlich tendenziöse Geschichte Mit fehlerhaften Behauptungen – speziell zu Risiken von ETFs – ließe sich inzwi- schen ein Buch füllen, das wohl die Aus- maße der Märchensammlung der Gebrüder Grimm übertreffen würde. Und auch die dezidierte Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Bericht könnte leicht Buchstärke erreichen. Da jedoch viele Berichte in einer großen Wochenzeitung und einigen ande- ren Medien ein ähnliches Muster aufweisen bzw. bestimmte Themen wiederkehrend angesprochen werden, genügt es an dieser Stelle, die „Archetypen“ dieser Geschichten abzuhandeln, um deren Schwachstellen aufzudecken. Im Kern geht es in der Regel um folgende Thesen: • ETF-Börsenhandel als Quelle für unlau- tere Gewinne von dubiosen „Wallstreet- Profiteuren” • ETFs als Crash-Auslöser oder Krisen- verstärker • ETFs schädigen den Kapitalmarkt und den Privatanleger • ETFs sorgen für Fehlallokationen von Kapital • ETFs gefährden die Stabilität des ge- samten Finanzsystems All diese Thesen werden als spannende Geschichten verpackt, gewürzt mit vielen Konjunktiven und suggestiven Fragen. Zu einer guten Berichterstattung gehört jedoch mehr, als eine spannende Geschichte zu erzählen. Eine umfassende Aufnahme der Fakten macht die Geschichte zwar weniger spannend, aber eben auch realistischer. Schauen wir uns die einzelnen Kritikpunkte der Medien etwas genauer an: ETF-Börsenhandel lädt zu unlauteren Geschäften ein oder das Märchen vom bösen ETF-Händler Berichte zu diesem Themenfeld berufen sich oftmals auf den Indexfonds-Pionier John Bogle. Und ja, es stimmt, der ame- rikanische Indexfonds-Pionier findet ETFs tatsächlich nicht gut. Er moniert, dass mit den Börsenhändlern eine zusätzliche Par- tei Geld verdient. Zudem kann die ständi- ge Handelbarkeit über die Börse aus seiner Sicht zu Aktionismus verführen. Diese Mei- nung zu haben, ist sein gutes Recht, doch gibt es eine Menge institutionelle und pri- vate Anleger, die sie nicht teilen. ETFs sind als Anlageinstrument so erfolgreich, da sie von vielen Investoren gerade wegen ihrer Flexibilität als vorteilhaft – auch gegen- über klassischen (nicht börsengehandelten, sondern nur einmal täglich handelbaren) Indexfonds – angesehen werden. Diese Beliebtheit sorgt auch dafür, dass hierzu- lande das Anlageuniversum der ETFs deut- lich größer ist als das der Indexfonds, was zu Vorteilen bei der Produktauswahl führt. Spätestens wenn in den Berichten das Licht auf den – angeblich unfairen – Han- del mit ETFs geschwenkt wird, verliert die Geschichte dann aber schnell den Kontakt zur Realität, denn dieser läuft letztlich an- ders ab als dort dargestellt. Der Börsenkurs von ETF-Anteilen richtet sich nach dem so- genannten indikativen Wert (iNAV) der ent- haltenen Wertpapiere (also letztlich nach dem Stand des zugrunde liegenden Index) und nicht einfach nach ETF-Angebot und ETF-Nachfrage, wie es in vielen Artikeln fälschlicherweise suggeriert wird. Der iNAV sorgt für die Nachvollziehbarkeit und Ver- gleichbarkeit der ETF-Kurse. Zudem finden auch keine anrüchigen Zusatzgeschäfte statt, mit denen die Handelsfirmen, die die Kurse von ETFs offiziell stellen bzw. pfle- gen (die sogenannten Market Maker), bei der Neuausgabe oder der Rücknahme von ETF-Anteilen Geld zum Nachteil des Anle- gers verdienen. Verhindert wird dies durch ein von den ETF-Emittenten in Abstimmung mit den zuständigen Handelsfirmen festge- legtes Verfahren (sogenannter Creation-/ Redemption-Prozess), das keinen Spiel- raum dafür bietet. Auch im laufenden Börsenhandel passiert nichts Unlauteres. Dort stellen die Market Maker laufend verbindliche Preise und sor- gen damit dafür, dass Kauf- und Verkaufs- order auch tatsächlich ausgeführt werden. Natürlich ist es das Ziel der Market Maker, Gewinne zu erwirtschaften, denn auch sie wollen am Monatsende entlohnt werden. Diese Gewinne generieren sie über die Differenz zwischen dem Kauf- und dem Verkaufspreis der ETFs, die sogenannte Geld-Brief-Spanne. Der Geld-Kurs liegt in der Regel leicht unter dem iNAV, der Brief-Kurs leicht darüber. Die oftmals in ETF-kritischen Beiträgen unterschwellig transportierte Idee, Market Maker würden sich zum Nachteil der Privatanleger die Ta- schen füllen, ist auch an dieser Stelle un- zutreffend. Denn unter den Market Makern herrscht Wettbewerb und bei der Entschei- dung, welche Kauf- und Verkaufsorder an der Börse zusammengeführt werden, be- kommt letztlich derjenige Market Maker den Zuschlag, der den besten Preis stellt. Alle anderen gehen leer aus und verdienen gar nichts. Das Geld, das die gern als „Wall- street-Profiteure“ verunglimpften Market Maker verdienen, verdienen sie also damit, den Anlegern jederzeitigen Handel zu fairen Kursen zu ermöglichen, und somit auch zu Recht. Übrigens: Geld-Brief-Spannen, an denen Börsenhändler Geld verdienen, gibt es auch an den Aktien- und Anleihemärkten

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