DAS QUARTAL 2.2017 - page 20

Ü
ber 40 und innovativ?Was Firmenchefs
oft bezweifeln, ist für dieWicke GmbH +
Co. KG in der Ruhrgebietsstadt Sprockhövel
die Basis für wirtschaftlichen Erfolg. Als Teil
der vorausschauenden Personalpolitik setzt
der Hersteller industrieller Räder und Rollen
gezielt auf ältere Mitarbeiter. Bereits vor 20
Jahren gab es eine Altersstrukturanalyse.
Ergebnis: Mitte 30, Tendenz steigend. Heute
sind die Beschäftigten im technischen Be-
reich im Schnitt 43, im kaufmännischen 46
Jahre alt. Daher fährt die Geschäftsleitung
eine zweigleisige Strategie: „Zum einen
wollen wir unser Know-how halten und
weiterentwickeln – wir behaupten uns mit
ständigen Innovationen gut amMarkt“, so
Personal- und Finanzleiter Denis Glowicki.
Zum anderen wirbt er um junge Leute,
Quereinsteiger, Bewerber mit Migrationshin-
tergrund: „Ohnehin passt es gut zu einem
multinationalen Unternehmen wie Wicke,
dass 30 Prozent der Mitarbeiter aus anderen
Ländern stammen.“
Mit den älteren Beschäftigten klärt Glowi-
cki frühzeitig ihre Lebensplanung. Außer-
dem investiert die Firma in ergonomische
Arbeitsplatzausstattung und betriebliches
Gesundheitsmanagement. „Viele wollen bis
zur Rente oder sogar noch länger arbeiten,
dafür entwickeln wir Lösungen.“ Parallel
dazu prüft Glowicki, welche Kompetenz
kurz-, mittel- und langfristig verloren
geht. „So erkennen wir, wo wir Mitarbeiter
brauchen und wen wir auf neue Aufgaben
vorbereiten sollten.“ Für einen systemati-
schen Wissenstransfer wird regelmäßig der
Stand in den Teams erfasst.
Ältere halten, Junge anlocken
Gleichzeitig werden Praktika über Schulen
in der Nähe angeboten. Außerdem bekom-
men Ungelernte die Chance, Fachkräfte in
der Produktion zu werden. Künftig sollen
zudem gezielt Abbrecher aus technischen
Studiengängen darauf angesprochen wer-
den, welche Perspektive ihnen Wicke bieten
kann. „Unsere Mitarbeiterbefragung zeigt,
dass wir auf dem richtigen Weg sind, weil
wir uns weltoffen und zugleich familiär
verhalten und für jeden Einzelnen passende
Konzepte suchen“, so Glowicki. Er ist sicher,
dass sich wegen solcher Angebote herum-
spricht, wie attraktiv sein Unternehmen
als Arbeitgeber ist.
So scheint Wicke gut gewappnet für den
demografischen Wandel, eine wachsende
Herausforderung für die Wirtschaft. „Seit
Jahren nimmt der Anteil Älterer an den
Mitarbeitern stark zu und steigt weiter“, so
Thomas Zwick, Professor für Personal und
Organisation an der Universität Würzburg.
„Von dieser Entwicklung kann sich keiner
abkoppeln.“ Belegschaften altern, weil die
Babyboomer in die Jahre kommen und
weniger Menschen in Frührente gehen. Fir-
menchefs sollten dies als Chance begreifen:
Die Generation 50 plus ist qualifiziert und
erfahren. „Daher bedeutet ein steigender Al-
tersdurchschnitt in den Betrieben nicht, dass
die Produktivität sinkt“, so Zwick. Heute seien
60-Jährige oft gesund, leistungsbereit und
motiviert: „Das Klischee vom Graukopf, der
kaumdie Rente erwarten kann, stimmt nicht.“
Mit den richtigen Rahmenbedingungen, was
die Organisation der Arbeit und die Ausstat-
tung der Arbeitsplätze angeht, droht keine
Produktivitätseinbuße. „Wenn Ältere dann
in Teams mit Jüngeren arbeiten, sind alle
produktiver“, unterstreicht Zwick. Und dabei
können Erfahrungen weitergegeben werden.
Das ist wichtig – irgendwann scheidet
jeder Ältere aus dem Betrieb aus. Daher
besteht weitsichtige Personalplanung aus
der Kombination von Angeboten für die
Älteren und Aufgeschlossenheit für Lebens-
umstände der Jungen. Adressiert wer-
den sollten Zielgruppen, die nie im Fokus
standen: Frauen, die nach der Familienpha-
se zurückwollen, Bewerber mit körperlichen
oder gesundheitlichen Einschränkungen
sowie Migranten. „Am produktivsten sind
Firmen, die mit gemischten Teams ar-
beiten – im Hinblick auf das Alter, aber
auch Geschlecht und interkulturelle
DATEV
So helfen Ihnen Ihre Berater
Klären Sie mit Ihrem Steuerberater, was hinsichtlich Rente und Hinzuverdienst zu
beachten ist. Und fragen Sie Ihren Anwalt, was mit Blick auf einen neuen Arbeits-
vertrag wichtig ist, wenn jemand über das Renteneintrittsalter hinaus arbeiten will.
Beide kennen Ihr Unternehmen und die aktuelle Rechtslage.
Demografischer Wandel –
Stärke liegt in der Vielfalt
Immer mehr Unternehmen entwickeln innovative Personalkonzepte, mit
denen sie die Generation 50 plus halten und Frauen oder Migranten als
neue Fachkräfte gewinnen können. So reagieren sie auf die
Herausforderungen der alternden Gesellschaft.
Text: Monika Hofmann
DAS QUARTAL 2.17
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