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DAS QUARTAL 1.14
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Themen im Fokus
„Nach dem Tode des Kunden kann die
Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäft-
lichen Berechtigung die Vorlegung eines
Erbscheins, eines Testamentsvollstre-
ckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher
Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Ur-
kunden sind auf Verlangen der Sparkasse
mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die
Sparkasse kann auf die Vorlegung eines
Erbscheins oder eines Testamentsvoll-
streckerzeugnisses verzichten, wenn ihr
eine Ausfertigung oder eine beglaubigte
Abschrift vom Testament oder Erbvertrag
des Kunden sowie der Niederschrift über
die zugehörige Eröffnungsverhandlung
vorgelegt wird.“
Urteilsgründe
Nach der Entscheidung des BGH stellen die
beanstandeten Regelungen in den Allge-
meinen Geschäftsbedingungen der Spar-
kasse zunächst kontrollfähige Abweichun-
gen von Rechtsvorschriften dar. Der Erbe
ist grundsätzlich nämlich nicht verpflichtet,
sein Erbrecht durch einen Erbschein nach-
zuweisen, sondern kann diesen Nachweis
auch in anderer Form führen.
Abweichend hiervon konnte die Sparkas-
se nach dem Wortlaut ihrer Allgemeinen
Geschäftsbedingungen die Vorlage eines
Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts
unabhängig davon verlangen, ob im kon-
kreten Einzelfall das Erbrecht überhaupt
zweifelhaft ist oder ob es auch auf andere
– einfachere und/oder kostengünstigere –
Art nachgewiesen werden könnte.
„Klärungsbedürftigkeit“
Zur Zweifelhaftigkeit des Erbrechts führt
der BGH aus: Soweit nach der streitigen
Regelung die Vorlage der darin genannten
Urkunden „zur Klärung der rechtsgeschäft-
lichen Berechtigung“ verlangt werden kann,
ist damit lediglich der Anlass umschrieben,
mit dem die Sparkasse ihr Verlangen nach
Vorlage eines Erbscheins begründet.
Die Entscheidung hingegen, wann die Be-
rechtigung des Erben „klärungsbedürftig“
ist, steht wiederum im Ermessen der Spar-
kasse. Die streitige Klausel kann auch nicht
wegen der Verwendung des Wortes „kann“
einschränkend dahin ausgelegt werden,
dass der Sparkasse ein Spielraum zusteht,
den sie nur nach „billigem Ermessen“ aus-
üben darf.
Selbst unter Zugrundelegung eines solchen
Entscheidungsmaßstabs würde jedenfalls
der weite Spielraum der Billigkeit nicht den
Anforderungen an die Eingrenzung und
Konkretisierung einer Formularbestim-
mung genügen.
Der Inhaltskontrolle halten die angegrif-
fenen Regelungen daher nicht stand. Das
uneingeschränkte Recht der Sparkasse,
zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Be-
rechtigung die Vorlegung eines Erbscheins
zu verlangen bzw. in bestimmten Situatio-
nen darauf zu verzichten, ist mit wesent-
lichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, von der abgewichen wird, nicht
zu vereinbaren.
Interessenabwägung notwendig
Die Klausel gewährt der Sparkasse generell
und unabhängig davon, ob im Einzelfall das
Erbrecht zweifelhaft ist oder durch andere
Dokumente einfacher und/oder kosten-
günstiger nachgewiesen werden kann, das
Recht, auf der Vorlage eines Erbscheins zu
bestehen.
Zwar hat eine Sparkasse nach dem Tod ei-
nes Kunden grundsätzlich ein berechtigtes
Interesse daran, der Gefahr einer doppel-
ten Inanspruchnahme sowohl durch einen
etwaigen Scheinerben als auch durch den
wahren Erben des Kunden zu entgehen.
Daraus folgt indes nicht, dass sie ein-
schränkungslos die Vorlegung eines Erb-
scheins verlangen kann.
Vielmehr sind im Rahmen der anzustellen-
den Interessenabwägung die Interessen
des (wahren) Erben – der als Rechtsnach-
folger in die Stellung des Erblassers als
Vertragspartner der Sparkasse eingerückt
ist und auf dessen mögliche Benachteili-
gung es daher ankommt – vorrangig. Ihm
ist regelmäßig nicht daran gelegen, auch
in Fällen, in denen er sein Erbrecht unpro-
blematisch anders als durch Vorlage eines
Erbscheins nachweisen kann, das unnütze
Kostenverursachende und zu einer Verzö-
gerung der Nachlassregulierung führende
Erbscheinverfahren anstrengen zu müssen.
Ebenso wenig kann er auf die Möglichkeit
verwiesen werden, von ihm zunächst – zu
Unrecht – verauslagte Kosten später im
Wege des Schadensersatzes, ggf. sogar
nur unter Beschreitung des Klageweges
von der Sparkasse, erstattet zu verlangen.
Fazit
Mit dem Urteil stärkt der BGH die Rechte
der Verbraucher, die sich nun keinen kos-
tenpflichtigen Erbschein besorgen müssen.
Dies ist auch deshalb wichtig, weil der Erb-
schein umso teurer wird, je höher die ver-
erbten Summen sind.
BEI FRAGEN SPRECHEN SIE BITTE IHREN
ZUSTÄNDIGEN STEUERBERATER AN.
Beim Tod des Erblassers ist für
berechtigte Dritte zunächst unklar,
wer dessen Rechtsnachfolge als
legitimer Erbe angetreten hat.
Der Erbschein soll diese Unsicherheit
im Rechtsverkehr beseitigen.
Der Erbschein ist in
Deutschland ein amtliches Zeugnis,
das für den Rechtsverkehr feststellt,
wer Erbe ist und welchen Verfügungs-
beschränkungen dieser unterliegt.
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