DAS QUARTAL 1.2014 - page 26

DAS QUARTAL 1.14
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Themen im Fokus
Arbeitsrecht: Kündigung
wegen Kirchenaustritt
Aus Enttäuschung über die zahlreichen sexuellen Missbrauchsfälle in katholi-
schen Einrichtungen trat ein Sonderpädagoge aus der Kirche aus und wurde
von der Caritas gekündigt, da ein schwerer Loyalitätsverstoß vorläge.
Gegen die Kündigung hat sich der Arbeitnehmer gewandt und Kündigungsschutz-
klage erhoben. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.04.2013,
2 AZR 579/12, über diese Klage entschieden.
Sachverhalt
Der 1952 geborene Arbeitnehmer war seit
1992 bei der Caritas als Sozialpädagoge
beschäftigt. Die beim Caritas angestell-
ten Pädagogen und Sozialpädagogen sind
ausnahmslos Mitglieder der christlichen
Kirchen. Der Arbeitnehmer gehörte der ka-
tholischen Kirche an. Seit September 2008
arbeitete der Arbeitnehmer in einem sozia-
len Zentrum, das Projekt der Erziehungshil-
fe war, in dem Kinder von der ersten Grund-
schulklasse bis zum zwölften Lebensjahr
nachmittags betreut wurden. Die Kinder
kamen aus sozial benachteiligten Verhält-
nissen und haben Schwierigkeiten mit der
Sozialisation. Ihre Religionszugehörigkeit
war ohne Bedeutung.
Das Angebot des Zentrums umfasste Mit-
tagessen, Hausaufgabenbetreuung, Einzel-
förderung und soziale Schülergruppenar-
beit, die sich am individuellen Bedarf der
Kinder orientierte. Auch Freizeitangebote
wurden wahrgenommen. Die Kinder sollten
schulisch und in ihrem sozialen Verhalten
gefördert werden. Außerdem sollten ihre
sprachliche und motorische Entwicklung
unterstützt sowie Kreativität und Fantasie
ausgebildet werden. Das soziale Zentrum
wies – abgesehen vom Zeichen der Caritas
– keine religiösen Symbole auf. Den Kin-
dern wurden keine religiösen Inhalte ver-
mittelt. Der Arbeitnehmer arbeitete mit den
Kindern, stand im Kontakt mit den Eltern,
kooperierte mit den Schulen und führte mit
dem Jugendamt Hilfeplangespräche durch.
Schließlich trat der Arbeitnehmer aus der
katholischen Kirche aus. Er informierte
hierüber ein Vorstandsmitglied des Trä-
gers und nannte als Beweggründe für den
Kirchenaustritt die Missbrauchsfälle in ka-
tholischen Einrichtungen, die Vorgänge um
die Piusbruderschaft und die Karfreitagsli-
turgie, die in einer antijudäischen Tradition
der Kirche stünden. Die Caritas kündigte
daraufhin das Arbeitsverhältnis.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden,
dass der Austritt eines Mitarbeiters einer
von einem katholischen Caritasverband
getragenen Kinderbetreuungsstätte aus
der katholischen Kirche die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. In
der Urteilsbegründung führt das Gericht
aus, dass jede Religionsgesellschaft ihre
Angelegenheiten innerhalb der Schranken
der für alle geltenden Gesetze selbst ordnet
und verwaltet. Dieses Recht käme neben
den verfassten Kirchen auch den ihnen
zugeordneten karitativen Einrichtungen zu.
Es ermöglicht ihnen, in den Schranken des
für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen
Dienst auch im Rahmen privatrechtlich
begründeter Arbeitsverhältnisse entspre-
chend ihrem Selbstverständnis zu regeln.
Nach der Grundordnung des kirchlichen
Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeits-
verhältnisse sei der Austritt aus der katho-
lischen Kirche ein schwerwiegender Loya-
litätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung
des Mitarbeiters nicht zulassen würde.
Im Kündigungsschutzprozess haben die
Arbeitsgerichte zwischen den Grundrech-
ten der Arbeitnehmer – etwa auf Glau-
bens- und Gewissensfreiheit – und dem
Selbstbestimmungsrecht der Religionsge-
sellschaft abzuwägen. Nach den Ausfüh-
rungen des Bundesarbeitsgerichts hat der
Arbeitnehmer durch seinen Austritt gegen
seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsoblie-
genheiten verstoßen. Aufgrund dessen sei
es der Caritas nicht zumutbar gewesen, ihn
als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen.
Nach dem kirchlichen Selbstverständ-
nis leistete der Arbeitnehmer unmittelbar
„Dienst amMenschen“ und nahm damit am
Sendungsauftrag der katholischen Kirche
teil. Ihm fehle infolge seines Kirchenaus-
tritts nach dem Glaubensverständnis der
Caritas die Eignung für eine Weiterbeschäf-
tigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft.
Zwar habe auch die Glaubens- und Gewis-
sensfreiheit des Arbeitnehmers ein hohes
Gewicht. Sie musste aber hier hinter das
Selbstbestimmungsrecht der Caritas zu-
rücktreten. Dieser könne im vorliegenden
Fall von den staatlichen Gerichten nicht
gezwungen werden, im verkündigungsna-
hen Bereich einen Mitarbeiter weiterzube-
schäftigen, der nicht nur in einem einzelnen
Punkt den kirchlichen Loyalitätsanforde-
rungen nicht gerecht geworden sei, son-
dern sich insgesamt von der katholischen
Glaubensgemeinschaft losgesagt habe.
Beschäftigungsdauer und Lebensalter des
Arbeitnehmers fielen demgegenüber im Er-
gebnis nicht ins Gewicht. Für Sozialpäda-
gogen gäbe es zudem auch außerhalb der
katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen
Beschäftigungsmöglichkeiten.
Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, dass
für das Bundesarbeitsgericht entscheidend
war, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit
unmittelbar als „Dienst am Menschen“
erbracht hat. Das kirchliche Arbeitsrecht
ist immer wieder Gegenstand von Rechts-
streitigkeiten, wurde jedoch zuletzt weiter
gestärkt. Dies gilt auch unabhängig von
einer weiteren Entscheidung des Bundes-
arbeitsgerichts, dass Streiks in kirchlichen
Betrieben unter stark eingeschränkten Be-
dingungen erlaubt sein können.
BEI FRAGEN SPRECHEN SIE BITTE IHREN
ZUSTÄNDIGEN STEUERBERATER AN.
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