DAS QUARTAL 4.2013 - page 26

DAS QUARTAL 4.13
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Themen im Fokus
Vererben bei Patchworkfamilien
Heutzutage wächst in Deutschland bereits jedes 4. Kind in sogenannten „alternati-
ven Lebensformen – wie bei Alleinerziehenden oder Patchworkfamilien – auf.
Das traditionelle Ehepaar mit gemeinsamen Kindern scheint nicht mehr
der alleinige Regelfall zu sein. Jede zweite Ehe in Deutschland
landet vor dem Familiengericht.
F
inden die geschiedenen Partner dann
neue Partner, so wird rechtlich das
Chaos perfekt, denn neben den eventuel-
len gemeinsamen Kindern aus erster Ehe
bringen geschiedene Eheleute in die neue
Beziehung die Kinder mit ein; diese haben
dannverschiedeneVäter undMütter, daneben
aber auch doppelte Großeltern. Problema-
tisch wird es dann, wenn Elternteile, seien
es die leiblichen oder die jeweiligen neuen
Partner, sterben. Das komplizierte Erbrecht
stellt dann eine besondere Herausforderung
dar. Den erbrechtlichen Schwierigkeiten
kann man am besten durch sinnvolle Re-
gelungen zu Lebenszeit entgegnen, um
nicht gewollte Erbkonstellationen und somit
auch Familienstreitigkeiten zu vermeiden.
Eine ausführliche steuerliche und rechtliche
Beratung ist allerdings imEinzelfall dringend
angeraten.
Patchworkfamilie
Als Patchworkfamilie wird im weitesten
Sinne eine Familie mit mindestens einem
sogenannten „Stiefkind“ verstanden. Diese
Stiefkinder wachsen in einer neuen Familie
mit einem leiblichen Elternteil und einem
Stiefelternteil auf. Manche Partner sind da-
bei (wieder) verheiratet oder leben in nicht
ehelichen Lebensgemeinschaften. Es gibt
aber auch solche Lebensgemeinschaften,
in denen die Kinder verschiedener Ex-Part-
ner miteinander leben. Die neuen Beziehun-
gen können wiederum gemeinsame Kinder
hervorbringen.
Verbringt ein Stiefelternteil die meiste Zeit
des Alltags mit den Kindern, so sollte es
ihm ermöglicht werden, Entscheidungen
zu treffen. Ist der Stiefelternteil mit dem
Sorgeberechtigten verheiratet, muss kei-
ne separate Regelung erfolgen, da ihmmit
der Heirat das „kleine Sorgerecht“ zusteht.
Er ist damit zur Erziehung und Vertretung
des Kindes im Alltag berechtigt. Gemäß §
1687b BGB darf der Stiefelternteil bei Ge-
fahr in Verzug alle Rechtshandlungen vor-
nehmen, die zum Wohle des Kindes not-
wendig sind. Der sorgeberechtigte Elternteil
ist unverzüglich zu unterrichten.
In Fällen, in denen die neuen Partner nicht
verheiratet sind oder der leibliche Elternteil
auch nicht das alleinige Sorgerecht hat, er-
hält der Stiefelternteil die zuvor genannten
Rechte nicht. Es sollte eine Vollmacht er-
teilt werden, die diesem die Entscheidung
über Alltagsangelegenheiten erlaubt. Diese
Vollmachten müssen mit der Unterschrift
des(r) Sorgeberechtigten versehen sein.
Erbfall
Im Fall einer gesetzlichen Erbfolge bei
Patchworkfamilien erben nur die leiblichen
Kinder des Verstorbenen, seien es dessen
einseitiges Kind und/oder das gemein-
same Kind. Der Erbanspruch des neuen
Partners ist davon abhängig, ob dieser mit
dem Verstorbenen verheiratet war. Stief-
kinder erben nur im Falle einer Adoption
durch den verstorbenen Stiefelternteil. Liegt
diese nicht vor und sind auch sonst keine
weiteren Vorkehrungen zu Lebenszeit ge-
troffen worden, erbt ein Stiefkind trotz ei-
ner gegebenenfalls langjährigen sozialen
Bindung zum Stiefelternteil nichts. Waren
die Partner nicht verheiratet, erbt auch der
neue Lebensgefährte nicht. Das Erbe wird
allein unter den leiblichen Kindern des toten
Partners verteilt. Die Quote ermittelt sich
wie bei „normalen“ anderen Familien auch
in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder
bzw. des Güterstandes.
Möchten die Partner in einer Patchworkfa-
milie mit Trauschein, das heißt Mann und
Frau haben jeweils Kinder und sind in neuer
Ehe verheiratet, die Absicherung des Ehe-
partners und die der leiblichen Kinder er-
reichen, so bietet sich die Einrichtung einer
Vor- und Nacherbschaft durch testamen-
tarische Verfügung an. Will beispielsweise
ein Partner seine neue Ehepartnerin für den
Erbfall versorgt wissen und gleichzeitig si-
cherstellen, dass außer ihr nur seine leibli-
chen Nachkommen erbrechtliche Ansprü-
che auf seinen Nachlass geltend machen
können, kann die Ehefrau als Vorerbin und
der Sohn als Nacherbe eingesetzt werden.
Dies hat im Erbfall die Folge, dass direkt
nach dem Tod das gesamte Erbe auf die
als Vorerbin eingesetzte Partnerin übergeht.
Stirbt später auch der andere, länger leben-
de Ehegatte, geht das dadurch gebildete
Sondervermögen direkt auf die als Nach-
erben eingesetzten Abkömmlinge über. Es
wird somit sichergestellt, dass die leib-
lichen Kinder des später Verstorbenen
keinerlei Erb- oder Pflichtteilsrechte am
Nachlass des Erstverstorbenen erhalten.
Vorsicht ist jedoch wegen möglicher Steu-
erfallen bei hohen Nachlässen geboten.
Alternativ können auch die leiblichen Kinder
als Vollerben eingesetzt und der Ehepartner
durch Geld-, Wohnungsrechts-, Hausrats-
etc. oder Nießbrauchsvermächtnisse ab-
gesichert werden. Zur Durchsetzung von
Vermächtnissen empfiehlt es sich dabei,
einen Testamentsvollstrecker einzusetzen
bzw. zu bestimmen.
Bei Patchworkfamilien ohne Trauschein, in
denen Mann und Frau jeweils Kinder aus
früheren Beziehungen haben, jedoch nicht
verheiratet sind, besteht für den Fall des
Todes des Lebenspartners eine große Unsi-
cherheit. Denn falls der neue Lebenspartner
kein eigenes Einkommen oder Vermögen
besitzt, ist er unversorgt. Da zudem keine
gesetzliche Unterhaltsverpflichtung zwi-
schen Stiefeltern und Stiefkindern besteht
und diese aufgrund meist stärkerer emo-
tionaler Bindung zum leiblichen Elternteil
häufig keine freiwillige Unterstützung leis-
ten, ist auch hier nicht zwingend Hilfe zu er-
warten. Abhilfe dafür könnten vertragliche
Regelungen des Zusammenlebens bringen,
beispielsweise Unterhaltsansprüche für
die Zeit vor und nach einer Trennung oder
wem welches Vermögen gehören soll. Auch
können für den Lebenspartner und dessen
Abkömmlinge Wohn- und Nutzungsrechte
vereinbart werden.
Den erbrechtlichen Schwierigkeiten kann
man am besten durch sinnvolle Regelun-
gen zu Lebenszeit entgegnen, um nicht
gewollte Erbkonstellationen und somit
auch Familienstreitigkeiten zu vermeiden.
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