THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 2.13
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Auch die von Deutschland für die Rettung
der Gemeinschaftswährung eingegangenen
Risiken (Eventualverbindlichkeiten, keine
Zahlungen) sind in diesem Zusammenhang
deutlich zurückgegangen und liegen mit 677
Mrd. € (Stand 10.04.2013) zwar noch immer
astronomisch hoch, aber doch deutlich unter
den Höchstständen weit jenseits von 700
Mrd. € noch im letzten Jahr.
Die Grenzen des Draghi-Effekts werden aber
durch zweierlei deutlich. Erstens durch die
in vielen Teilen Peripherie-Europas desola-
ten konjunkturellen Daten und die inzwi-
schen ebenso desolate Lage weiter Teile der
dortigen Bevölkerung. Vor allem die Arbeits-
losigkeit ist in vielen Euro-Staaten – allen
voran Spanien und Griechenland – exorbi-
den ökonomischen Daten ablesen. Wesent-
liche Indikatoren für den akuten Krisenstand
in der Euro-Zone gingen zurück. So sanken
z. B. die Target2-Salden* vieler besonders
von der Euro-Panik betroffener Peripherie-
staaten – allen voran Spanien und Italien –
seit der Draghi-Ankündigung merklich. Die
Kapitalflucht aus diesen Ländern, getrieben
von der Furcht, z. B. für eine Investition in
Spanien in Zukunft keine Euros, sondern Pe-
seten zu erhalten, die sich bei der gegenwär-
tigen Liquiditätsbereitstellung durch die EZB
in eben diesen Target2-Salden ausdrückt,
befand sich also auf dem Rückzug: Die akute
Krise der Euro-Zone beruhigte sich also tat-
sächlich in den ökonomischen Daten ables-
bar und nicht nur in Form weniger häufiger
Berichterstattung.
Die zweite Jahreshälfte 2012 hatte fast
schon den Eindruck entstehen lassen, als
wäre die Krise der Euro-Zone vorüber: kaum
noch Berichterstattung in der Öffentlichkeit
im Vergleich zu den Meldungen im Minuten-
takt bis in den Sommer 2012 hinein; die we-
nigen doch erscheinenden Berichte deutlich
milder und weniger dramatisch in der Wort-
wahl als noch kurze Zeit zuvor. Anscheinend
keine neuen Hiobsbotschaften also, die Lage
beruhigte sich. Wir haben es an dieser Stelle
und im quiriner schon mehrfach betont: Der
Draghi-Effekt, ausgelöst durch dessen Zu-
sage im letzten Sommer, die EZB werde „al-
les Nötige“ für den Erhalt der Euro-Zone
tun, ist tatsächlich eingetreten und hat die
Euro-Zone und nicht zuletzt auch die Finanz-
märkte beruhigt. Und das deutlich länger als
die vielen Rettungspakete und -schirme in
den Monaten zuvor.
Die Entwicklungen der letzten Wochen in Ita-
lien, Zypern und zuletzt Portugal haben aber
gezeigt, dass auch dieses Kriseninstrument
nur begrenzte Wirkung entfalten kann. In-
zwischen sind es allerdings eher politische
denn ökonomische Klippen, von denen die
Stimmung und Lage der Finanzmärkte in
Europa immer wieder fallen kann. Was
steckt hinter diesem Zusammenspiel aus
unbedingtem Rettungswillen der EZB und
politischer Instabilität in so vielen europä-
ischen Krisenstaaten – und was bedeutet
das für die weitere Entwicklung in der Euro-
Zone?
Der Draghi-Effekt und seine Grenzen.
Dass
durch die beherzten Äußerungen des EZB-
Präsidenten trotz allem wieder nur Zeit ge-
wonnen werden konnte, ist auch dem letzten
zu optimistischen Beobachter mittlerweile
klar. Selbst Mario Draghi persönlich hat die-
sen Umstand von vornherein eingeräumt:
Die Krise der Euro-Zone sei im Kern keine
ökonomische (mehr), sondern eine poli-
tische. Seit seiner besagten Ankündigung
ließ sich genau dieser Sachverhalt auch in
Italien, Zypern, Portugal – ist die Krise
der Euro-Zone zurück?
Marktkommentar der quirin bank AG / 2. Quartal 2013
Text:
von Philipp Dobbert
(Volkswirtschaft) • quirin bank AG
Target2-Salden ausgewählter Staaten der
Euro-Zone (in Mrd. Euro)
Quellen: ifo Institut, eigene Darstellung
Der Haftungspegel Deutschlands für die
Euro-Zone (in Mrd. Euro)
Quelle: ifo Institut
*Kurz erklärt:
Die noch bis vor gut einem
Jahr praktisch unbekannten Target2-Sal-
den sind inzwischen als wesentliche Indi-
katoren für den Krisenstand in der Euro-
Zone anerkannt. Sie entstehen
erstens
durch die übermäßige Bereitstellung von
Liquidität seitens der EZB an die Krisen-
Banken in den von der Krise besonders
betroffenen Euro-Staaten (etwa Spanien,
Italien, Griechenland, Irland).
Zweitens
bleibt gleichzeitig diese Liquidi-
tät nicht in den jeweiligen gestützten Eu-
ro-Staaten und deren Banken, weil Kapi-
taleigner befürchten, dass es zu einem
Euro-Austritt des betreffenden Landes
kommt. Es setzt daher eine Kapitalflucht
ein – die EZB-Liquidität verlässt die Kri-
senländer, vor allem in Richtung Deutsch-
land, und die negativen Salden der Krisen-
länder im Target2-Verrechnungssystem
entstehen. In dem Maße wie die Kapital-
flucht zurückgeht bzw. sich umkehrt, re-
duzieren sich die Salden in den letzten
Monaten wieder.
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