Seite 22 - DAS QUARTAL 4.2012

THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 4.12
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kündigt, ihr Programm zum Ankauf von An-
leihen europäischer Krisenstaaten wieder
aufzunehmen und nötigenfalls in unbe-
schränktem Umfang tätig zu werden. Bereits
jetzt befinden sich Peripherie-Staatsanlei-
hen im Gegenwert von etwas mehr als 200
Mrd. Euro in den Handelsbüchern der Zen-
tralbank. Anders als diese bereits getätigten
Käufe soll das nun angekündigte Programm
allerdings deutlich transparenter sein und
auch nur unter bestimmten Vorausset-
zungen durchgeführt werden. Der EZB-Rat
hat sich insbesondere darauf geeinigt, nur
dann am jeweiligen Staatsanleihemarkt ein-
zugreifen, wenn das betreffende Land zuvor
einen Hilfsantrag an den permanenten Ret-
tungsschirm ESM (oder dessen Vorgängerin
EFSF) gestellt hat. Das bedeutet gleichzeitig,
dass die jeweilige Regierung ein Anpas-
sungsprogramm ins Leben rufen muss, das
strukturelle Schwächen im Staatssektor und
Probleme bei der internationalen Wettbe-
werbsfähigkeit angehen soll. Also: ohne
ESM keine EZB-Intervention.
Eigentlich gibt es zwei Euro-Krisen.
Wie
tragen nun die beiden Entscheidungen zu ei-
ner Lösung der Krise des Euro-Raums bei?
Zur Beantwortung dieser Frage ist es unab-
dingbar, die Euro-Krise selbst genau zu ana-
führen, dass die Informationspflichten ge-
genüber den beiden deutschen Legislativ-
kammern ausgehebelt werden.
Für beide Vorbehalte hat man offenbar be-
reits eine Lösung zur Umsetzung gefunden.
Insofern steht dem Inkrafttreten des perma-
nenten Rettungsschirms nichts mehr im
Wege. Er wird seine Vorgängerin, die Euro-
päische Finanzstabilisierungs-Fazilität (EFSF),
auf Sicht ablösen. Hierdurch soll zweierlei
erreicht werden:
Erstens soll das höhere Volumen des neuen
Rettungsfonds auch die Inanspruchnahme
durch größere Volkswirtschaften, wie etwa
Spanien, ermöglichen. Zweitens wird durch
den Wegfall einer zeitlichen Begrenzung des
Rettungsschirms erreicht, dass es keine Un-
sicherheit über eine Zeit danach mehr gibt.
Den Finanzmärkten soll so signalisiert wer-
den, dass die europäische Politik nun über
ein Instrument verfügt, das durch Umfang
und Ausgestaltung in der Lage ist, auch wei-
terhin in Turbulenzen geratene Mitglieds-
staaten finanziell zu unterstützen – ganz un-
abhängig davon, wie lange diese Staaten für
eine eigenständige Rückkehr an die Kapital-
märkte benötigen.
Ganz wesentlich ist diese Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts auch für die Ef-
fektivität der EZB-Politik. Die EZB hat ange-
D
ie letzten Wochen haben wichtige Ent-
scheidungen historischen Ausmaßes
im Hinblick auf die Euro-Krise mit
sich gebracht. Die Europäische Zentralbank
(
EZB) hat angekündigt, unter bestimmten
Voraussetzungen Staatsanleihen der Euro-
Krisenstaaten anzukaufen und so Finanz-
marktturbulenzen in diesem Bereich ein-
zugrenzen. Wenig später entschied das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe,
dass der permanente Rettungsschirm ESM
ebenfalls unter bestimmten Vorausset-
zungen – mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Der europäische Fiskalpakt, der eine Har-
monisierung der Finanzpolitik in den Euro-
Mitgliedsstaaten zum Ziel hat, ist demnach
sogar ohne Änderungen verfassungskon-
form. Viel ist in der Folge darüber diskutiert
worden, was diese Entscheidungen mittel-
bis langfristig für die Inflation oder die Belas­
tung des deutschen Staatshaushalts bedeu-
ten. Etwas weniger Beachtung fand hingegen
die mindestens ebenso interessante Frage:
Was bedeuten die Entscheidungen für die
unmittelbaren Perspektiven des Euro-
Raums? Ist die Krise nun vielleicht sogar
endlich gelöst?
Die Details der EZB- und ESM-Entschei-
dung.
Was ist konkret beschlossen worden?
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick
auf den Europäischen Stabilitätsmechanis-
mus (ESM) verfügt, dass Deutschland nur
unter zwei Vorbedingungen den entspre-
chenden Vertrag ratifizieren darf. Erstens
darf die Haftungssumme, mit der sich
Deutschland am permanenten Rettungs-
schirm beteiligt, den derzeit festgelegten
Betrag von 190 Mrd. Euro keinesfalls über-
steigen. Passagen des ESM-Vertrags, die zu-
mindest nicht ausschließen, dass die Haf-
tungssumme in Nachhinein auch ohne
neuerliche Zustimmung des Bundestags
und des Bundesrats erhöht werden kann,
sind in diesem Sinne durch eine ergänzende
vertragliche Regelung unwirksam zu ma-
chen. Zweitens dürfen die Regelungen zur
Vertraulichkeit im ESM-Vertrag nicht dazu
ESM und EZB – endlich die Lösung der
Krise in der Euro-Zone?
Marktkommentar der quirin bank AG / 4. Quartal 2012
Text:
Philipp Dobbert
(
Volkswirtschaft) • quirin bank AG
Die akute Krise des Euro-Raums lässt sich am
einfachsten mit der Befürchtung von Investoren
umschreiben, dass der gemeinsame Währungs-
raum möglicherweise nicht mehr oder nicht
mehr in der aktuellen Zusammensetzung
existieren könnte.