Seite 23 - DAS QUARTAL 3.2012

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THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 3.12
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ternationalen Wirtschaftsgefüge beigetra-
gen, die letztlich auch die Banken- und
Wirtschaftskrise mit ausgelöst hat, rückte
sie zuletzt in kleinen Schritten von dieser
Position ab. Ob dies von der Einsicht getrie-
ben ist, dass sich das durch Wechselkurs-
manipulation aufgebaute Ungleichgewicht
auf Dauer nicht aufrechterhalten lässt, oder
auf dem Anspruch beruht, die chinesische
Währung neben US-Dollar und Euro als drit-
ten wesentlichen Spieler auf den Weltdevi-
senmärkten zu etablieren, ist für die Frage
nach der Kostenentwicklung der chine-
sischen Produktion letztlich unerheblich. Ein
stärkerer Renminbi bedeutet in jedem Fall
eine Verteuerung chinesischer Produkte in
den Industrieländern. Auch dieser Faktor
trägt dazu bei, dass sich der übergeordnete
Kostendämpfungstrend der Globalisierung
deutlich abschwächt. Andere kostengünstige
Produktionsstandorte stehen neben China
zwar zur Verfügung. Ob diese allerdings über
ein genügendes Arbeitskräftepotenzial und
die Produktions- und Transportkapazitäten
verfügen bzw. diese schnell und kostengün-
stig aufbauen könnten, um signifikante Teile
der nun zu teuren chinesischen Produktion
zu übernehmen, darf bezweifelt werden.
Fazit.
Insgesamt ergeben sich damit von ver-
schiedener Seite auf mittlere bis lange Sicht
deutliche Aufwärtstendenzen für das welt-
weite Preisniveau, vor allem in den Indus-
triestaaten. Dies beruht zum einen auf Pro-
zessen, die sich der wirtschaftspolitischen
Kontrolle weitgehend entziehen, wie dem zy-
klischen Abebben der Kostenvorteile durch
die Globalisierung. Zum anderen werden in-
flatorische Prozesse, die z. B. auch aus einer
sich verfestigenden Inflationserwartung von
Haushalten und Unternehmen entstehen
können, in den kommenden Jahren wirt-
schaftspolitisch tendenziell eher geduldet
werden, um die Schwere des Verschuldungs-
problems der Industriestaaten rechnerisch
zu mildern. In jedem Fall werden damit hö-
here Inflationsraten zu einer der wesent-
lichen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbe-
dingungen, die es in den nächsten Jahren
auch im Zusammenhang mit Kapitalanlage-
entscheidungen zu berücksichtigen gilt. Der
Inflationsschutz wird – nach langer Zeit wie-
der einmal – mittel- bis langfristig zu einem
wichtigen Kapitalanlagemotiv.
gegeben, sodass sich die von ihnen zu zah-
lenden Preise für internationalisiert gefer-
tigte Güter nicht erhöhten bzw. sogar
sanken. Da diese Güterpreise auch in die
Berechnung der Inflationsrate mit einflie-
ßen, wurde auch der Preisauftrieb insge-
samt gedämpft.
Diese inflationsdämpfende Wirkung der Glo-
balisierung lässt allerdings nach. Vor allem
in China, der treibenden Kraft hinter der glo-
balisierungsbedingten Kostendegression im
Fertigungsprozess, zeichnet sich immer
deutlicher eine Kostenwende ab. So zeigt
etwa ein Blick auf den realen (also den be-
reits um die im Reich der Mitte ja durchaus
beachtliche
Inflationsrate
bereinigten)
Durchschnittslohn in China, dass dieser in
den 20 Jahren zwischen 1990 und 2010 um
den Faktor 6 und allein zwischen 2000 und
2010 um den Faktor 3 gestiegen ist. In den
2000er-Jahren hat sich demgegenüber die
Produktivität in China lediglich verdoppelt.
Die Lohnstückkosten, also die um die Pro-
duktivität bereinigten Lohnkosten, sind dem-
nach gestiegen – der Kostenvorteil ist ge-
schrumpft, die inflationsdämpfende Wirkung
der chinesischen Produktion für den Rest
der Welt geht zurück. Aber nicht nur die
Lohnkosten, auch andere Kostenkomponen-
ten der Produktion in China steigen in den
letzten Jahren. So sind z. B. allein die Kosten
für Elektrizität einer Studie der Boston Con-
sulting Group zufolge von 2010 bis 2012 um
15 % gestiegen. Auch Gewerbeflächen sind
im chinesischen Durchschnitt demzufolge
inzwischen deutlich teurer als etwa in weni-
ger industrialisierten Regionen der USA.
Diese Kosten ließen sich in China nur umge-
hen, wenn eine Industrieansiedlung von der
Ostküste des Landes in den Westen ver-
lagert würde. Anders als in den kosten-
günstigen US-Lagen wäre dies allerdings
mit massiven Transportschwierigkeiten ver-
bunden, da die nötige Infrastruktur fehlt.
Ein weiterer Auftriebsdruck auf der Kosten-
seite ergibt sich für ausländische Produ-
zenten daraus, dass die chinesische Wäh-
rung (Renminbi) zunehmend an Stärke
gewinnt. Hatte die chinesische Regierung in
den letzten Jahrzehnten den Wechselkurs
zur Exportförderung noch durchgängig
künstlich niedrig gehalten und so nicht zu-
letzt auch maßgeblich zu der Unwucht im in-
Staatsverschuldung in den Industrienati-
onen rechnerisch abmildert. Und drittens
ergibt sich gerade für Deutschland aus der
Euro-Krise zusätzlicher Inflationsdruck: das
Problem der mangelnden Wettbewerbsfä-
higkeit der Peripheriestaaten im Vergleich
zu Deutschland, sodass die Preissteige-
rungen (insbesondere bei Löhnen und Ge-
hältern) hierzulande über mehrere Jahre
höher liegen als in Griechenland, Spanien
oder Italien. Aber auch ohne diese Verstär-
kungsfaktoren kann sich eine Inflationsdy-
namik allein aufgrund der Erwartungshal-
tung entwickeln, die zusätzlich von der
Entwicklung der Treibstoff- und Energie-
preise, von der Energiewende oder auch von
dem Phänomen der gefühlt viel höheren als
amtlich ausgewiesenen Inflation getrieben
wird. Die Grundlage für einen Inflationstrend
wäre gelegt.
Internationale Spannungen verteuern Roh-
stoffe.
Gerade auch im Bereich der Roh-
stoffe, deren Preise ja mittelbar (als Vorleis-
tungen für Konsumgüter) und unmittelbar
(etwa in Form von Treibstoffen) auch die In-
flationsentwicklung beeinflussen, ergibt sich
eine Tendenz zu stärkerem Preisauftrieb.
Dies hängt zum einen auch mit der Zentral-
bankpolitik, insbesondere derjenigen der
Fed, zusammen. In Erwartung höherer zu-
künftiger Inflationsraten im US-Dollar si-
chern sich die Lieferanten, vor allem im Be-
reich der vornehmlich in US-Dollar
abgerechneten Energierohstoffe, gegen die-
se Wertminderung bereits heute durch stei-
gende Preise ab. Zum anderen scheint sich
ein Trend abzuzeichnen, wonach politische
Spannungen verschiedenster Art zunehmen.
Dies erschwert und verteuert erstens die Er-
zeugung, zweitens aber insbesondere auch
den Transport der jeweiligen Rohstoffe und
wirkt somit preistreibend.
Trendumkehr in China.
Vor allem aber neigt
sich ein ganz wesentlicher Trend, der maß-
geblich mit zum niedrigen Inflationsniveau
der letzten beiden Jahrzehnte beigetragen
hat, tendenziell dem Ende zu. Die Globalisie-
rung, prägender Faktor der weltweiten ge-
samtwirtschaftlichen Entwicklung in den
letzten Jahren, tritt gewissermaßen in eine
neue Phase ein. Neben der internationalen
Vernetzung zeichnete sich die Globalisierung
vor allem auch durch eine deutliche Kosten-
degression im Produktionsprozess aus.
Durch die Verlagerung von Fertigungsstufen
oder kompletten Fertigungsprozessen in we-
niger kostenintensive – vor allem weniger
lohnkostenintensive – Regionen der Welt lie-
ßen sich die Produktionskosten niedrig hal-
ten bzw. senken. In den von Wettbewerb ge-
prägtenMärktenwurdendieseKostenvorteile
vor allem auch an die Konsumenten weiter-
INDEX DES REALEN DURCHSCHNITTSLOHNS
IN CHINA (1990 = 100)
Quellen: Bloomberg, eigene Berechnungen,
eigene Darstellung
AUCH ANDERE KOSTENFAKTOREN STEIGEN
IN CHINA STARK AN
Quelle: Boston Consulting Group, eigene Darstellung