DAS QUARTAL 1.2020

Kurzarbeit anmelden: auch an Urlaub und Überstunden denken Wer Kurzarbeit anmelden will, muss an Urlaub und Überstunden denken – zur möglichen Überbrückung der Auftragsflaute und später bei der Leistungs- berechnung. Unternehmer sollten alle Facetten dieses Themas intensiv mit Anwalt und Steuerberater besprechen. Text: Midia Nuri B ei einer Auftragsflaute geht gerade kleineren Unternehmen rasch finanziell die Puste aus. Luft verschaffen können aber auch sie sich, indemsieKurzarbeit anmelden. Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, ist der Antrag für die Mitarbeiter bei der Arbeitsagentur möglich. Die Behörde übernimmt dann für eineÜbergangszeit einen Teil des Gehalts. Die Zahl der Unternehmen in Kurzarbeit steigt derzeit bundesweit erst- mals seit 2010 wieder deutlich – vor allem in der Industrie. Doch auch Dienstleister und Kleinbetriebe können sich mit dem Instru- ment über Engpässe hinweghelfen lassen. Es reicht schon ein Mitarbeiter, dem der Firmenchef so nicht gleich kündigen muss. Natürlichmüssen Arbeitgeber für den Antrag bei der Arbeitsagentur bestimmte Regeln und Fristen einhalten – und Pflichten erfüllt haben. Darüber sollten sie ruhig schon in guten Zeiten mit ihrem Anwalt sprechen. Manche vertragliche Regelungen erleichtern es später ebenfalls, Kurzarbeit anzumelden. Wichtig ist aber auch, bei der Kurzarbeit an Urlaub und Überstunden zu denken. Überstunden und Urlaub abbauen – dann Kurzarbeit anmelden Geht es um Kurzarbeit, können die Grün- de für die Flaute im Unternehmen vielfäl- tig sein. In kleinen Betrieben reicht häufig schon, dass ein größerer Folgeauftrag auf sich warten lässt. Oder nach einem Brand oder Wasserschaden in den Firmenräu- men der Betrieb zwangsweise nur noch auf Sparflamme laufen kann. Dies kann schnell zu finanziellen Problemen führen. Gehälter und Kosten auch für wenige Mitar- beiter werden dann leicht zur erdrückenden Last. Um die zu verringern, können Unter- nehmer bei der Arbeitsagentur die Kurz- arbeit anmelden. Der Antrag geht an die Arbeitsagentur, in deren Bezirk die zustän- dige Lohnabrechnungsstelle liegt. Kurzar- beit anmelden können Unternehmer aber auch einfach online. Dafür müssen sie sich zuvor registrieren. Firmenchefs sollten vor dem Antrag auf Kurzarbeit die Überstun- den und eventuell Urlaub abbauen lassen, damit die Kurzarbeit als unabwendbar gilt. Andererseits müssen sie zeitnah reagieren: innerhalb von drei Monaten, nachdem die Gründe für eine Kurzarbeit aufgetreten sind. Die Details hierzu sollte ein Anwalt klären. Diese Voraussetzungen gelten vor Anmel- den der Kurzarbeit Vorgaben, Regelungen sowie zulässige Grün- de für Kurzarbeit stehen im dritten Sozialge- setzbuch (SGB III). Selbst Betriebe mit nur einem Mitarbeiter dürfen Kurzarbeit anmel- den. In der Regel haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug), wenn ● ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgelt- ausfall vorliegt, ● betriebliche und persönliche Vorausset- zungen erfüllt sind und ● der Arbeitgeber den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit angezeigt hat. Nach den Regeln des SGB III ist ein Arbeits- ausfall erheblich genug, um Kurzarbeit an- zumelden, wenn er ● auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, ● vorübergehend ist, ● nicht vermeidbar ist und ● im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchs- zeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltaus- fall von jeweils zehn bis 100 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist. Viele Ereignisse – eine Lösung: Kurzarbeit anmelden Das Wirtschaftsleben ist vielfältig. Und ebenso vielfältig sind auch die Gründe für Kurzarbeit, die die Arbeitsagenturen akzep- tieren. Gerade nach Unglücksfällen, die zu betrieblichen Ausfällen führen, sollten Un- ternehmer unbedingt klären, ob sie Kurzar- beit für ihre Mitarbeiter anmelden können. Naturkatastrophen oder auch beispiels- weise Brandschäden sind ein unabwend- bares Ereignis gemäß SGB III. Auch wenn Arbeitgeber behördlichen oder behördlich anerkannten Maßnahmen ausgesetzt sind, die von ihnen nicht zu vertreten sind und den Grund für einen Arbeitsausfall bilden, wie etwa Straßensperrungen, sollten sie die Möglichkeit von Kurzarbeit prüfen. Das gilt für Überstunden und Urlaub bei Kurzarbeit Natürlich hilft Kurzarbeitergeld dem Unter- nehmer aus der finanziellen Patsche. Im Kern allerdings dient es dazu, die betroffe- nen Arbeitnehmer vor Erwerbslosigkeit zu bewahren. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes richtet sich nach dem finanziellen Verlust für den Mitarbeiter nach der Zahlung von Steu- ern. Kurzarbeitergeld soll rund 60 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts ersetzen, mit Kind im Haushalt rund 67 Prozent. Für Geringverdiener gelten andere Beträge. Der Arbeitgeber legt zuerst die reduzierte Ar- beitszeit fest und berechnet dann den neuen Lohn sowie das fällige Kurzarbeitergeld. Für dieses stellt er bei der Arbeitsagentur einen Antrag auf Rückerstattung. Die Berechnung sollte mit Blick auf den Zusammenhang von Kurzarbeit mit Urlaub, Überstunden oder Einmalzahlungen unbedingt über den Steu- erberater erfolgen. Wichtig ist etwa der feine Unterschied zwischen dem Urlaubsentgelt, also der Gehaltsfortzahlung während des Urlaubs, und dem Urlaubsgeld selbst. Das ist ein zusätzlicher Beitrag zu den urlaubs- bedingten Aufwendungen des Arbeitneh- mers. Der Experte weiß, wie Überstunden oder Einmalzahlungen zu behandeln sind. So lang zahlt die Arbeitsagentur das Kurz- arbeitergeld Kurzarbeit anmelden müssen Unternehmer binnen drei Monaten. Ihre Mitarbeiter be- kommen Kurzarbeitergeld dann „bis zum Ablauf von zwölf Monaten seit dem ers- ten Kalendermonat …, für den Kug gezahlt wird“, so die Bundesarbeitsagentur. Falls der Grund für die Kurzarbeit außergewöhn- liche Verhältnisse auf dem gesamten Ar- beitsmarkt sind, greift ein Krisenmechanis- mus: Dann kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Bezugsdauer bis auf 24 Monate verlängern. Zuletzt ist das in der Finanzkrise 2009 geschehen. Derzeit ist es in der Diskussion mit Blick auf die Lage in der Metall- und Elektroindustrie. Diese Formen von Kurzarbeit können Un­ ternehmer anmelden Die Arbeitsagenturen unterscheiden zwi- schen drei Formen von Kurzarbeitergeld. Keinen Zugang haben kleine Betriebe zum Transferkurzarbeitergeld, der sogenannten „Kurzarbeit Null“. Dieses Kurzarbeitergeld erhalten Mitarbeiter von Konzernen, die bei einer Transfergesellschaft angestellt sind. DAS QUARTAL 1.20 28 Themen im Fokus

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