DAS QUARTAL 4.2019

D ie Veränderung einer Ziffer könnte vielen Unternehmern bestenfalls hohenMehr- aufwandundschlimmstenfallsschmerzhafte Bußgelder bescheren. Zum Jahreswechsel 2018/2019 wurde das Gesetz über Teilzeit- arbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) aktualisiert, was zunächst kaumAufregung hervorrief. ImParagraf 12 steht zur Arbeit auf Abruf: „Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Ar- beitszeit von 20 Stunden als vereinbart.“ Bis Ende 2018 waren es 10 Stunden. De facto bedeutet das eine glatte Verdoppelung der unterstellten Arbeitszeit –undmacht darum Probleme beim Mindestlohn. Denn auch geringfügig Beschäftigte, also Minijobber, gelten als teilzeitbeschäftigt – und haben Anspruch auf den Mindestlohn von 9,19 Euro. Dadurch entsteht bei einemMinijob auf Abruf eine Gleichung, die nicht aufgehen kann. Ohnevertraglich festgeleg- te Zahl v o n Arbeitsstunden unterstellt das TzBfG eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden. Bei rechnerisch 4,33 Wochen pro Monat mal 9,19 Euro pro Stunde wären das 795,85 Euro Monatslohn – das ist garantiert kein Minijob mehr. Durch Änderung bei Minijob auf Abruf droht Ärger Betroffen sind von dieser Gesetzesände- rung insbesondere Betriebe mit saisonal stark schwankendem Geschäft, beispiels- weise Gastronomie oder Gartenbau. Sie nutzen im Sommer bei Arbeitsspitzen verstärkt den Minijob auf Abruf und stel- len geringfügig Beschäftigte als Teilzeitar- beiter je nach Wetter ein. Eben auf Abruf. Deshalb kocht das Thema jetzt hoch und droht manchem Firmenchef enorme Pro­ bleme zu bereiten. Grundsätzlich waren bei der Arbeit auf Abruf schon immer diverse Vorgaben zu beachten. Zu Jahresbeginn hatten viele die aktuellen Veränderungen beim Minijob auf Abruf allerdings nicht im Blick, weil sie ihn damals kaum nutzten. Mit Saisonbeginn machten sie dann weiter wie 2018, ohne die betroffenen Arbeitsverträge anzusehen und gegebenenfalls zu modifi- zieren. Wer beim Minijob auf Abruf keine Stundenzahl schriftlich fixiert hat, muss der Sozialversicherung deshalb nun 795,85 Euro Monatslohn melden. Die- se Summe und eine entsprechende Forderung der Sozialversicherung ergibt sich unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeit. So entsteht der gefürchtete Phan- tomlohn, der mit Sozialabgaben belegt wird. Viel zu hohe Stundenzahl für ei­ nen 450-Euro-Job Betroffene Unternehmer sollten mit Anwalt und Steuerberater schnell Gegenmaßnahmen er- greifen, um beim Minijob auf Ab- ruf nicht massiv draufzuzahlen. Und um rechtlichem Ärger wegen Verstößen gegen Regelungen zur Sozialversicherung und zum Mindest- lohn zu entgehen. Zuerst ist zu klären, ob beziehungsweise welche Mitarbeiter betroffen sind und ob eventuell bereits fehlerhafte Meldungen an die Sozialversi- cherung geschickt wurden. Sie gilt es nach Absprache mit den Experten rasch zu kor- rigieren. Danach wäre empfehlenswert, Arbeitsverträge für auf Abruf beschäftigte Teilzeitarbeiter im Minijob-Segment auf- zusetzen, die die Zahl der zu leistenden Stunden festlegen, um die Vorgaben zum Mindestlohn ebenso zu beachten wie die zur 450-Euro-Beschäftigung. Wichtig: Ist eine wöchentliche Mindestarbeitszeit ver- einbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent mehr abrufen. Bei einer wöchent- lichen Höchstarbeitszeit darf er nur bis zu 20 Prozent weniger abrufen. Auch solche Details gilt es zu beachten und am besten mit Stundenzetteln zu belegen. Derartige Verträge sollten stets mithilfe eines Exper- ten formuliert werden. Es gibt gute Alternativen zum Minijob auf Abruf Die aktuellen Änderungen beim Minijob auf Abruf könnten aber auch als Einstieg in ganz neue Überlegungen dienen. Eine Alternative wären Arbeitszeitkonten. Statt einen Minijob auf Abruf bekommt der Ar- beitnehmer einen Arbeitsvertrag mit einem gleichbleibenden, also verstetigtem Entgelt von 450 Euro. Er kann je nach Bedarf unter- schiedlich viele Stunden im Monat leisten und Plus- oder Minusstunden auf dem Ar- beitszeitkonto sammeln. Das Arbeitszeit- konto wird dann innerhalb eines verein- barten Zeitraums ausgeglichen. Oder der Minijob auf Abruf wird zum Midijob. Das ist nicht ganz so billig für den Unterneh- mer, bietet aber viel Flexibilität und hilft so, möglichen Ärger zu vermeiden. Am 1. Juli 2019 wurde aus der bisherigen Gleitzone der Übergangsbereich. Er gilt für Arbeitsentgelte von 450,01 Euro bis 1.300 Euro. Die reduzierten Rentenversicherungs- beiträge des Arbeitnehmers führen seitdem nicht mehr zu reduzierten Rentenansprü- chen – ihm entstehen somit trotz reduzier- ter Beiträge keine Rentennachteile mehr. Minijob auf Abruf birgt Risiken für Unternehmen Per Minijob auf Abruf fangen viele Unternehmer saisonale Auftragsspitzen ab. Aber durch dieses Instrument droht nun Ärger bei Mindestlohn und 450-Euro-Job. Anwalt und Steuerberater sollten dringend prüfen, wie sich Gesetzesverstöße vermeiden lassen. Text: Frank Wiercks DAS QUARTAL 4.19 26 Themen im Fokus Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg

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