DAS QUARTAL 4.2018

DAS QUARTAL 4.18 21 Themen im Fokus und dort stört sich auch niemand daran. Mit dem ETF in die Krise – Dr. Jekyll oder Mr. Hyde Kommen wir auf die Crash-Anekdoten zu sprechen: Ohne die geht es scheinbar bei der Sezierung der ETF-Branche nicht, auch wenn die inhaltliche Vergleichbarkeit der ETF-Entwicklung mit historischen Crash- Ursachen vollständig auf der Strecke bleibt. Richtig ist, dass das ETF-Segment in den letzten 15 Jahren stark gewachsen ist. Doch daraus eine Gefahr analog zur US- Immobilienkrise 2007/2008 abzuleiten, wie es in den Finanzmedien oft geschieht, ist inhaltlich unsinnig. Der Ausgangspunkt der Immobilienkrise war, dass überschuldete Hauskäufer ihre Hypothekenkredite nicht mehr bezahlen konnten und damit massen- haft Wertpapiere, die auf verbrieften Krediten basierten, wertlos wurden. ETFs dagegen sind Investmentfonds, die Aktien oder An- leihen einer Vielzahl von Firmen halten und diese lediglich verwalten. Es kann also keine spezifische ETF-Krise geben, sondern allen- falls Aktien- oder Anleihe-Krisen. Von denen wären jedoch alle Anleger betroffen, egal ob sie ETFs, sogenannte aktiv gemanagte (treffender: prognosegetriebene) Fonds oder Einzeltitel halten. Auch die Warnung, ETFs würden Krisen verstärken oder beschleunigen, wird gern wiederholt, obwohl sie inhaltlich noch nie angebracht war. Denn die größten Investo- ren in ETFs sind institutionelle Investoren, wie beispielsweise Versicherungen oder Pensionskassen. Diese Investoren wa- ren schon lange vor der Einführung von ETFs sehr indexorientierte Anleger. Die Entscheidungen dieser Investoren können starke Kursbewegungen, wie einen Crash, tatsächlich beschleunigen oder verstärken. Allerdings macht es keinen Unterschied, ob sich dies durch die Rückgabe von ETF- Anteilen ergibt oder – wie früher üblicher – durch den direkten Verkauf der gehaltenen Aktien. Auch beim Potenzial, Krisen zu ver- stärken, kommt also den ETFs als Anlage- instrumenten keine tragende Rolle zu. Ein Crash wird heute wie früher von den Ent- scheidungen der Anleger beeinflusst, nicht von den verwendeten Fonds. Ein Investor, der im Rahmen eines Crashs panikartig Be- stände verkauft, tut dies unabhängig vom Anlageinstrument. Es wäre vermessen zu glauben, dass er an Einzelaktien oder auch prognosegetriebenen Fonds eher festhal- ten würde als an ETFs. ETFs beeinträchtigen den Markt und die Anleger oder ie Leiden der jungen (und älteren) Fondsmanager In den letzten beiden Jahren gab es im- mer wieder Interviews mit und Aufsätze von bekannten Fondsmanagern, in denen sie sich kritisch über Indexfonds und ETFs äußerten. Der Tenor: Der stark steigende Marktanteil von ETFs mache die Aktien- und Anleihemärkte in bestimmten Seg- menten oder als Ganzes ineffizient. Es wird von einer „Dominanz passiver Investments” geschrieben und von Preisblasen, die durch das ETF-Wachstum befeuert werden. Ger- ne wird auch unterstellt, dass indexorien- tierte Anleger nicht wissen würden, dass ETFs – wie ihre zugrunde liegenden Märkte – auch einmal stärker fallen können und dies mit prognosebasiertem (aktivem) Ma- nagement nicht passieren würde. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, die nackten Zahlen zu begutachten. Der Marktanteil von ETFs steigt zwar seit Jah- ren, beträgt jedoch weltweit noch immer ca. 11 % des Fondsmarktes. Die klassischen, aktiv gemanagten Publikumsfonds sind also noch um ein Vielfaches verbreiteter – ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, darin eine Blasengefahr zu sehen. Doch die wahren Leiden der Fondsmanager sind nicht darin begründet, dass ETFs den Kapitalmarkt und Investoren schädigen, was sie ja auch letztlich nicht tun. Der ei- gentliche Schmerz liegt darin, dass immer offenkundiger wird, dass die Versprechen der Fondsbranche unhaltbar sind und die Kunden der Branche zunehmend den Rü- cken zukehren. Es gelingt aktiven Fonds- managern eben nicht, dauerhaft Verlust- minimierung zu betreiben und trotzdem nachhaltig besser abzuschneiden als die relevanten Marktindizes. Dies ist eine wis- senschaftlich nachgewiesene Tatsache. Viele aktive Manager schmiegen sich er- wiesenermaßen sogar bewusst nah an ih- ren Vergleichsindex – aus Angst, deutlich schlechter abzuschneiden. Geschichten und Anekdoten rund um den Schaden, den ETFs am Kapitalmarkt und in Anlegerdepots angeblich anrichten können, mögen zwar intuitiver sein und sich besser in unserem Gedächtnis halten, doch schafft ihr zweifelhafter Unterhaltungswert keinen Ausgleich zu der erheblichen Minderrendite, die Anlegern regelmäßig zuteilwird, wenn sie sich – beeinflusst von der entsprechen- den Berichterstattung – auf prognosege- triebene Fonds verlassen. ETFs lenken Kapital in falsche Hände oder der abenteuerliche Simplicissimus Eine ebenfalls gern erzählte Geschichte: ETFs und Indexfonds seien „schlimmer als Marxismus”, da sie Fehlallokationen von Kapital verursachen, indem sie nicht zwischen „guten” und „schlechten” Unter- nehmen unterscheiden. Der vermeintlich logische Hintergedanke: In breiten Aktien- indizes sind immer auch mängelbehafte- te Unternehmen vorhanden und bei einer puren Indexabbildung werden auch diese womöglich unproduktiven Unternehmen mit Kapitalzuflüssen bedacht. Und je stär- ker die ETF-Branche wächst, umso mehr verstärkt sich dieser Trend. Ob der Vergleich zwischen einem anleger- freundlichen Finanzinstrument zur Wohl- standsmehrung und einer Ideologie, deren Umsetzung jedes Mal in der Verarmung ganzer Länder mündete, angebracht ist, darf bezweifelt werden. Den Schreibern muss man leider eine Unkenntnis der Funktion von Kapitalmärkten attestieren, die sie wohl mit vielen Marxisten teilen. Denn der unterstellte Einfluss von ETF- Anbietern auf die Kapitalströme in Un- ternehmen existiert schlichtweg nicht. Hintergrund: An den Kapitalmärkten gibt es zwei Stadien (bzw. Phasen), in denen sich Unternehmen befinden können. Nur eines davon hat aber tatsächlich Auswirkungen auf die Kapitalallokation in Unternehmen. Es ist der Börsengang, bei dem die bishe- rigen Eigentümer einen großen Teil ihrer Anteile an Investoren verkaufen, um dem Unternehmen eine breitere Eigenkapital- basis zu verschaffen. Hier fließt dem Un- ternehmen tatsächlich frisches Kapital zu. Im zweiten Stadium, wenn das Unterneh- men den Börsengang abgeschlossen hat und der normale Börsenhandel stattfindet, handeln dagegen nur noch die Investoren untereinander. Anders als beim Börsen- gang wirken sich steigende Börsenkurse jedoch nicht auf die Barmittel eines Un- ternehmens aus. Letztlich sind es nach dem Börsengang eines Unternehmens die Käufer der Produkte eines Unternehmens, die ihm diese Barmittel zuführen. Über die Belohnung erfolgreicher und die Bestrafung schlechter Unternehmen entscheiden allein die Kunden. Der Finanzmarkt und ETFs ha- ben damit nichts zu tun. ETFs und der Systemzusammenbruch oder verdammt in alle Ewigkeit Einige Artikel widmen sich auch heute noch den vermeintlichen systemischen Risiken von ETFs, also dem Gefahrenpotenzial für die Stabilität des Finanzsystems an sich. Dieses könne sich demzufolge aus der Praktik der sogenannten Swap-Replikation bzw. der Wertpapierleihe physischer ETFs ergeben. Diese Praktiken könnten nämlich, so die These, zu Vertrauensverlusten und in der Folge zu deutlichen Geldabflüssen führen – mit negativen Wechselwirkungen auf die ETF-Anbieter und deren Geschäfts- partner und letztlich auf den gesamten Finanzmarkt. AUFTEILUNG DES GLOBALEN FONDSMARKTES Xx Quellen: Investment Company Institute, eigene Darstellung

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