Seite 37 - DAS QUARTAL 4.2012

THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 4.12
37
Manager-Magazin“ haben unter den Dax-
Konzernen jene Unternehmen die höchsten
Burn-out-Raten, die seit langer Zeit um-
strukturieren und Stellen streichen.
Gemeinsame Übungen helfen.
Andrea Metz
war einen Monat krankgeschrieben, ging re-
gelmäßig zum Walken, fing an, im Chor zu
singen – und achtsam mit sich umzugehen.
Claudia Croos-Müller empfiehlt dafür die
Body2Brain“-Methode. Kleine Körper­
übungen beeinflussen das Bewusstsein und
heben die Stimmung: Kopf hoch, Arme
schwingen oder den Atem bewusst wie durch
einen Strohhalm „schlürfen“. Mit kleinen
Maßnahmen hat sie schon ganze Abtei-
lungen „therapiert“. Gemeinsames Üben
macht Spaß und lockert die Atmosphäre. Im
Verlag von Andrea Metz jedoch blieb die Situ-
ation angespannt. Dafür hatte sie nach ihrer
Therapie die Kraft, sich einen neuen Arbeits-
platz zu suchen.
Expertenrat in allen Lebenslagen holen kön-
nen. Die anonyme Beratung außerhalb des
eigenen Unternehmens senkt die Hemm-
schwelle und erhöht die Chance, dass je-
mand rechtzeitig vor dem Burn-out Hilfe
sucht. Nach dem Motto „Bleib gesund! Du
bist mir wichtig“ bietet Schott seinen Mitar-
beitern auch Kurse in Zeit-, Selbst- oder
Stressmanagement. In Gesundheitszirkeln
erarbeiten Moderatoren in vier bis acht Sit-
zungen mit ganzen Teams realistische Lö-
sungen, um Belastungen zu reduzieren.
Ähnliche Programme können sich kleine
und mittlere Unternehmen zum Beispiel
auch vom TÜV SÜD in München ins Haus ho-
len. Und wenn die Prävention versagt, sucht
der Lotsendienst von Insite-Interventions ei-
nen Therapieplatz. Alle Programme aber
helfen wenig, wenn das Betriebsklima nicht
stimmt. Laut „Burn-out-Ranking“ der Askle-
pios Kliniken GmbH in Hamburg für das
der unter Leistungsdruck gerät oder ihn sich
selbst macht. „Wer vor Leidenschaft brennt,
bekommt eher einen Burn-out als jemand,
der auf mittlerer Flamme kocht“, weiß Clau-
dia Croos-Müller. Denn diese Menschen
gönnen sich oft zu wenig Pausen.
Andrea Metz schleppte sich auch krank in
den Verlag, wenn „das Buchprojekt toll war“,
nahm Arbeit mit nach Hause und in den Ur-
laub. Außerdem bemühte sie sich, allen An-
forderungen ihrer Chefs gerecht zu werden.
Und die wechselten oft, weil der Verlag bin-
nen kurzer Zeit mehrfach verkauft worden
war, was zu ständig neuen Vorgaben führte.
Als sie immer gereizter wurde, Fehler
machte, ihr Pensum nicht schaffte und
schlecht schlief, verstand Andrea Metz diese
typischen Warnsignale nicht. Sie arbeitete
mehr statt weniger. „Das Gehirn muss gele-
gentlich mal abschalten“, warnt die Psycho-
therapeutin Croos-Müller. „Ständige Ein-
satzbereitschaft, verstärkt durch die
Nutzung von iPhone oder Blackberry, über-
lastet es.“
Prävention ist entscheidend.
Damit Unter-
nehmer wie Mitarbeiter diesen Zusammen-
hang nicht nur verstehen, sondern daraus
auch die Konsequenzen ziehen, schult Hans-
jörg Becker sie in Seminaren. „Klare Ziele
und Strukturen sowie Verlässlichkeit sind
die beste Burn-out-Prävention im Betrieb“,
betont der Gründer und Geschäftsführer
des Beratungsdienstes Insite-Interventions
GmbH in Frankfurt. Er will, dass die Teilneh-
mer lernen, wie sie Anzeichen für Stress er-
kennen und gegensteuern. Für besonders
wichtig hält Becker die Arbeit mit Führungs-
kräften. Sie müssten rechtzeitig erkennen,
ob jemand an seine Leistungsgrenze stoße,
und angemessen reagieren. „Das ist aber
sehr heikel“, hat der Psychiater und Thera-
peut beobachtet. „Die haben Angst, in die In-
timsphäre ihrer Mitarbeiter einzudringen.“
Um das Thema trotzdem ansprechen zu
können, erhalten die Chefs einen Ge-
sprächsleitfaden. Sie lernen sogenannte
Ich-Botschaften“, mit denen sie vorsichtig
auf den Punkt kommen können: „Ich mache
mir Sorgen um Sie.“ Sie sollen Hilfe anbie-
ten, aber nicht aufdrängen – und vor allem
weder Schuld zuweisen noch den Druck wei-
ter erhöhen. Der Technologiekonzern Schott
AG in Mainz hat mit solchen Trainings gute
Erfahrungen gemacht. „Unsere Führungs-
kräfte sind sehr erleichtert und trauen
sich jetzt, auch Themen wie Burn-out anzu-
sprechen“, berichtet Margit Emmerich,
Leiterin der Abteilung Arbeitsmedizin und
Prävention.
Außerdem nutzt Schott das Employee Assi-
stance Program (EAP) von Insite-Interven-
tions, eine Art Sorgentelefon für die Mitar-
beiter der Kundenfirmen, die sich dort
So erkennen Sie Ihre Gefährdung:
Haben Sie ständig Angst, etwas nicht zu schaffen?
Denken Sie, keine Pausen machen zu können? Haben Sie das Gefühl, alles selber machen
zu müssen?
Dies sind deutliche Warnsignale:
Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Unkonzentriertheit, viele
Fehler, Reizbarkeit, depressive Verstimmung, Lustlosigkeit, Zynismus, keine Erholung
trotz Urlaub.
So beugen Sie vor:
Gönnen Sie sich regelmäßige Pausen und Bewegung, zusammenhän-
genden Urlaub, Hobbys. Pflegen Sie Entspannungstechniken sowie Kontakt zu Freunden
und Familie.
So beugt der Betrieb vor:
Firmenchefs sollten auf Wertschätzung, Verlässlichkeit, klare
Strukturen und Verantwortlichkeiten, Sicherheit sowie Gesundheitsangebote setzen.
Hier erfahren Sie mehr:
Claudia Croos-Müller: Kopf hoch. Das kleine Überlebensbuch.
Kösel-Verlag; Eckhard Roediger: Burnout und Depression vorbeugen. Bevor aus Erschöp-
fung Krankheit wird. Verlag Gesundheit Aktiv.
BURN-OUT-SYNDROM
Das müssen Sie über die neue Volkskrankheit wissen
Immer öfter versehen deutsche Ärzte ihre
Diagnose mit diesem Zusatz. 2004 gab es je
100
Versicherte 0,6 Fehltage wegen Burn-outs,
2011
waren es neun. Das hat die Bundes-
psychotherapeutenkammer in ihrer Studie
Arbeitsunfähigkeit und psychische Erkran-
kungen 2012“ aus Daten der gesetzlichen
Krankenkassen errechnet.