Seite 23 - DAS QUARTAL 4.2012

THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 4.12
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nommenen eher zaghaften Versuche – erst-
mals das Zeug dazu hat, akute Befürch-
tungen vor einem Zusammenbruch der
Euro-Zone wirksam und für längere Zeit zu
zerstreuen. Dies ändert aber nichts an zwei
Tatsachen: Erstens geht diese Möglichkeit
mit hohen Kosten einher. Nicht weniger als
die Glaubwürdigkeit der EZB und damit auch
die mittelfristige Preisniveaustabilität ste-
hen auf dem Spiel. Zweitens bieten EZB-
Interventionen keine Antwort auf die
chronischen Probleme der gemeinsamen
Währung. Strukturreformen in den schwa-
chen Euro-Staaten sind unabdingbar. Dies
hat die EZB zwar auch mit den Bedingungen,
die sie für eine mögliche Intervention stellt,
berücksichtigt. Offen bleibt allerdings, wie
stringent diese Anforderungen letztlich um-
gesetzt werden.
Und auch die Entscheidungen der letzten
Wochen selbst könnten noch für einige
Spannung sorgen. So wird vielfach außer
Acht gelassen, dass das Bundesverfas-
sungsgericht zunächst nur über Eilanträge,
nicht aber in der Hauptsache entschieden
hat. Hier ist nicht auszuschließen, dass das
Gericht bei seiner Entscheidung auch die
Anleihekäufe durch die EZB ins Visier nimmt
und eine Unvereinbarkeit mit gesetzlichen
Regelungen, etwa dem Verbot der Staatsfi-
nanzierung, identifiziert. Das kraftvolle Kri-
seninstrument der EZB wäre umgehend
wieder stumpf. Einer wirklichen Lösung der
Euro-Krise ist man insofern zwar ein gutes
Stück nähergekommen, gleichzeitig bleibt
aber noch ein weiter Weg zu gehen. Und die-
ser Weg wird nicht weniger turbulent sein
als der bislang zurückgelegte.
ben kann, die sich durch eine einzige Ent-
scheidung herbeiführen ließe. Vielmehr
bedürfte es für eine wirkliche Lösung der
Krise im Euro-Raum eines Maßnahmenbün-
dels, das die verschiedenen Aspekte der
komplexen Krise berücksichtigt. Damit wird
auch klar, dass die jüngsten Entscheidungen
die Euro-Krise ebenfalls nicht gänzlich wer-
den lösen können. Denn sie beziehen sich
beide ausschließlich auf den akuten Aspekt
der Turbulenzen, nicht aber auf die chro-
nischen Probleme.
Allerdings hat insbesondere die Ankündi-
gung der EZB tatsächlich eine neue Dimen-
sion in der Krisenbekämpfung eröffnet. Zwar
hat die EZB auch schon in früheren Phasen
Anleihen von klammen Euro-Staaten in ihre
Bücher genommen. Dies geschah aber weit-
gehend intransparent und für Außenstehen-
de nicht nachvollziehbar – vielmehr gab es
erst nach Abschluss der jeweiligen Transak-
tion eine entsprechende Information, die
keinen Aufschluss über die weiteren Ab-
sichten der EZB gab. Diesmal aber ist das
Vorgehen der Zentralbank von vornherein
transparent kommuniziert: Wenn ein Land
der Euro-Zone die gestellten Anforderungen
erfüllt, kann die EZB notfalls unbegrenzt in
den Anleihemarkt eingreifen. Die EZB signa-
lisiert damit unmissverständlich: Der jewei-
lige Markt wird im Zweifel vollständig kon-
trolliert, eine Spekulation dagegen kann
nicht erfolgreich sein, da die EZB im Euro-
Raum über unbegrenzte Mittel (Stichwort:
Gelddruckmaschine) verfügt.
Ein Blick auf die oben skizzierten Charakte-
ristika der akuten Euro-Krise zeigt, dass
eine solche Ankündigung der EZB – anders
als die vorhergehenden, jeweils für sich ge-
lysieren. Hierbei fällt auf, dass es die Euro-
Krise im Grunde gar nicht gibt und wir es
vielmehr mit zwei Euro-Krisen zu tun haben.
Maßgeblich für diese Erkenntnis ist die Un-
terscheidung zwischen akuten und chro-
nischen Symptomen bzw. Problemen der
Euro-Krise. Die akute Krise des Euro-Raums
lässt sich am einfachsten mit der Befürch-
tung von Investoren umschreiben, dass der
gemeinsame Währungsraum möglicherwei-
se nicht mehr oder nicht mehr in der aktu-
ellen Zusammensetzung existieren könnte.
Ganz konkret geht es um das Risiko, dass
einzelne Staaten wie z. B. Griechenland oder
Spanien – aber etwa auch Deutschland – aus
der Gemeinschaftswährung austreten. Noch
größere Sorgen verbinden sich mit der Mög-
lichkeit eines unkontrollierten Zusammen-
bruchs der gesamten Währungsunion. Aus-
schlaggebend für diese Risiken sind die
Probleme einzelner Regierungen von Mit-
gliedsstaaten der Euro-Zone, sich zu ver-
kraftbaren Konditionen Finanzmittel an den
Kapitalmärkten zu beschaffen. Denn dies
schürt die Angst davor, dass es auch bei der
Rückzahlung von bereits ausgegebenen
Staatsanleihen zu Liquiditätsproblemen und
somit zu Zahlungsausfällen kommen
könnte. Dieser Mechanismus aus Vertrau-
ensverlust und finanzieller Schieflage ver-
stärkt sich selbst.
Die chronische Krise fußt auf den unter-
schiedlichen Wirtschaftsstrukturen in der
Euro-Zone. Diese gab es natürlich bereits
vor der Einführung der Gemeinschaftswäh-
rung. Zu dieser Zeit wurden die Ungleichge-
wichte (z. B. starke Export- oder Import­
überschüsse einzelner Nationen) allerdings
weitgehend durch Wechselkursbewegungen
ausgeglichen. Die Euro-Einführung hat die-
sen Korrekturmechanismus ausgeschaltet.
Dies hat allerdings nicht zu einer Überwin-
dung der Unterschiede, sondern sogar noch
zu einer Verfestigung der strukturellen Dif-
ferenzen geführt. Die Gemeinschaftswäh-
rung hat die wirtschaftlichen Unterschiede
in der Euro-Zone gewissermaßen zemen-
tiert. Die Folge ist, dass es heute umso dras-
tischerer Anpassungsprogramme bedarf,
um die Heterogenität des Wirtschaftsraums
wenigstens in Grundzügen der Homogenität
des Währungsraums anzupassen. Alle Maß-
nahmen, die auf eine Lösung oder zumin-
dest Entschärfung der Euro-Krise abzielen,
müssen also im Hinblick auf diese beiden
Facetten der derzeitigen Probleme hin un-
tersucht werden – können sie zur Lösung
der akuten und/oder der chronischen Pro-
bleme beitragen?
Die Lösung?
Relativ schnell wird bei einer
auf diese Weise durchgeführten Analyse
deutlich, dass es nicht die eine bahnbre-
chende Lösung für beide Problemfelder ge-
Die chronische Krise fußt auf den unterschied-
lichen Wirtschaftsstrukturen in der Euro-Zone.
Diese gab es natürlich bereits vor der Einfüh-
rung der Gemeinschaftswährung. Zu dieser
Zeit wurden die Ungleichgewichte (z. B. starke
Export- oder Importüberschüsse einzelner
Nationen) allerdings weitgehend durch Wech-
selkursbewegungen ausgeglichen.