Seite 14 - DAS QUARTAL 3.2012

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Umsatzsteuer bei der Abgabe
von Speisen an Imbissständen
In der Praxis treten häufig Zweifelsfragen auf, ob bei der Abgabe von Speisen an Imbissständen der ermäßigte Steuersatz oder der
Regelsteuersatz in Ansatz zu bringen ist. Der Bundesfinanzhof hat hierzu nun verschiedene Urteile veröffentlicht. Rechtssicherheit
ist jedoch nach wie vor nicht eingetreten. Die Financial Times Deutschland sprach von der „großen Currywurst-Posse“.
THEMEN IM FOKUS
DAS QUARTAL 3.12
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zeiten zum sofortigen Verzehr um eine Liefe-
rung handelt. Sollte dies zu bejahen sein,
muss die Frage beantwortet werden, ob un-
ter den Begriff Nahrungsmittel i. S. von An-
hang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/
EWG nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“
fallen oder auch Speisen oder Mahlzeiten,
die durch Kochen, Braten, Backen oder auf
sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zu-
bereitet worden sind. Hinsichtlich der Ab-
grenzung von Restaurationsleistung (Dienst-
leistung) und Lieferung ist zu klären, ob die
Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als
ein wesentliches Dienstleistungselement
zu berücksichtigen ist, das zusammen mit
einer oder mehreren zusätzlichen Dienst-
leistungen der einheitlichen Leistung das
Gepräge einer Dienstleistung verleiht.
Zubereitung von Speisen im Altenwohn-
heim.
Der Bundesfinanzhof hat in einem
weiteren Urteil vom 12.10.2011 (V R 66/09)
entschieden, dass die in einer Großküche
eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur
Verpflegung der Bewohner zubereiteten
Speisen keine „Standardspeisen“ als Ergeb-
nis einfacher und standardisierter Zuberei-
tungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes
sind, sodass deren Abgabe zu festen Zeit-
punkten in Warmhaltebehältern keine Liefe-
rung, sondern eine dem Regelsteuersatz un-
terliegende sonstige Leistung ist.
Mit Beschlüssen vom 15. Oktober 2009 XI R
6/08 und XI R 37/08 und vom 27. Oktober
2009 V R 3/07 und V R 35/08 hat der Bundes-
finanzhof dem Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften mehrere Fragen vorgelegt,
die die Abgrenzung von Restaurationsleis-
tungen (Dienstleistungen) und Lieferungen
von Nahrungsmitteln betreffen.
Eine Lieferung würde dem ermäßigten Um-
satzsteuersatz von 7 % unterliegen, nicht
hingegen – anders als in anderen Mitglied-
staaten – eine Restaurationsleistung, die mit
dem Regelsteuersatz von 19 % besteuert
wird. Es hängt deshalb von der Beurteilung
als Lieferung oder Dienstleistung ab, ob die
Umsätze dem Regelsteuersatz unterliegen
oder ermäßigt zu besteuern sind. In den
beiden Verfahren V R 35/08 und XI R 37/08
geht es um die Beurteilung der Abgabe von
Speisen aus einem Imbisswagen mit z. T.
überdachten Verzehrtheken oder Ablage-
brettern. Das Verfahren V R 3/07 betrifft die
Abgabe von Speisen in Kino-Foyers, in denen
Tische, Stühle und sonstige Verzehrvorrich-
tungen vorgehalten waren. Im Verfahren XI R
6/08 sind Leistungen eines Party-Service-
Unternehmens zu beurteilen.
Die erweiterte Ermächtigung der Mitglied-
staaten zur Einführung eines ermäßigten
Steuersatzes in Anhang H zu Art. 12 Abs. 3
Buchst. a) der Richtlinie 77/388/EWG nicht
nur – wie bisher – für die Lieferung von
Nahrungsmitteln, sondern zusätzlich auch
für „Restaurant- und Verpflegungsdienst-
leistungen“, lässt aus gemeinschaftsrecht-
licher Sicht als zweifelhaft erscheinen, ob es
sich bei der Abgabe von Speisen oder Mahl-
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Mit
zwei zeitgleich veröffentlichten Urteilen hat
der Bundesfinanzhof (BFH) zu der bisher
häufig streitigen umsatzsteuerlichen Ab-
grenzung von Essenslieferungen (Steuersatz
7 %) und Restaurationsleistungen (Steuer-
satz 19 %) Stellung genommen. Die Ent-
scheidungen beruhen auf einem neuen Ur-
teil des Gerichtshofs der Europäischen
Union vom 10. März 2011 (C-497/09,
C-499/09, C-502/09, Bog u. a.), das aufgrund
von Vorlagen des BFH ergangen ist.
Ermäßigter Steuersatz.
Danach liegt eine
dem ermäßigten Steuersatz unterliegende
Essenslieferung vor, wenn nur einfach zube-
reitete Speisen (wie z. B. Bratwürste oder
Pommes frites oder ähnlich standardisiert
zubereitete Speisen) abgegeben werden und
dem Kunden lediglich behelfsmäßige Ver-
zehrvorrichtungen (wie z. B. Theken oder
Ablagebretter bei Imbissständen) zur Ein-
nahme der Speisen zur Verfügung stehen
und die Speisen nur im Stehen eingenom-
men werden können (V R 35/08). Kommt zu
den standardisiert zubereiteten Speisen
noch eine weitere Leistung hinzu – z. B. Kell-
nerservice, Beratung und Bedienung, ge-
schlossene Räume, Garderobe und Toiletten
oder Geschirr und Mobiliar –, kommt der
Regelsteuersatz zur Anwendung.
Regelsteuersatz.
Zu einem dem Regelsteu-
ersatz unterliegenden Restaurationsumsatz
führt mithin die Abgabe von Standardspei-
sen, sobald der leistende Unternehmer sei-
nen Kunden zusätzliches Mobiliar wie
Tisch(e) mit Sitzgelegenheiten zur Verfügung
stellt. Im Unterschied zur früheren Recht-
sprechung sind dabei jedoch Verzehrvorrich-
tungen Dritter – wie z. B. Tische und Bänke
eines Standnachbarn – nicht zu berücksich-
tigen, auch wenn diese im Interesse des
leistenden Unternehmers zur Verfügung
gestellt wurden (V R 18/10).
Weitere Hinweise des Bundesfinanzhofs.
Der Bundesfinanzhof hat in seiner Presse-
mitteilung noch auf nachfolgende Entschei-
dungen hingewiesen:
Bei Fragen sprechen Sie bitte
Ihren zuständigen Steuerberater an.