Seite 16 - AUSGABE_26___QUARTAL_4_2011

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Kosten fürs Erststudium
absetzbar!
Mit seinen zwei kürzlich gefällten Urteilen vom 28.07.2011 (VI R 38/10 und VI
R 7/10) hat der Bundesfinanzhof die bisherige Auslegung der Rechtslage zum
Thema Werbungskostenabzug bei einer Erstausbildung oder einem Erststudium
aufgegeben und komplett erneuert.
Text: Dipl.-Finanzwirt Dipl.-Geogr.
Edgar Zehrt
, Steuerberater • HSP STEUER HAMBURG
Ausbildungskosten eines Piloten.
Im ersten
dieser zwei vom Bundesfinanzhof entschie-
denen Fälle beantragte der Kläger seine ihm
durch eine Pilotenausbildung entstandenen
Ausbildungskosten im Jahre 2004 in Höhe
von fast 28.000 Euro in seiner Einkommen-
steuer als einkommensteuerlich wirksamen
Verlustvortrag festzustellen, da es sich sei-
ner Ansicht nach um vorweggenommene
Werbungskosten für seine angestrebte zu-
künftige nicht selbständige Tätigkeit als Pi-
lot handele. Das Finanzamt ebenso wie das
Finanzgericht lehnten diese Auffassung al-
lerdings aus den im Folgenden dargestellten
Gründen ab.
Aufwendungen im Rahmen eines Medizin-
studiums.
Im zweiten Streitfall beantragte
die Klägerin die Aufwendungen, welche ihr
im Rahmen ihres Medizinstudiums direkt
nach dem Schulabschluss (Erststudium)
entstanden sind, ebenso als vorab entstan-
dene Werbungskosten bei den Einkünften
aus nicht selbständiger Arbeit anzuerken-
nen. Auch dieser Antrag wurde sowohl durch
das Finanzamt als auch das Finanzgericht
abgelehnt.
Diese geschilderten Entscheidungen der
Finanzämter und Urteile der Finanzgerichte
folgten der bisherigen allgemein verbrei-
teten Annahme, dass die Regelung des im
Jahre 2004 eingeführten § 12 Nr. 5 EStG die
Feststellung als vorweggenommene Wer-
bungskosten ausschließt. § 12 Nr. 5 EStG
besagt, dass Aufwendungen des Steuer-
pflichtigen für seine erstmalige Berufsaus-
bildung und für ein Erststudium, wenn diese
nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses
stattfinden, als nicht abzugsfähige Ausga-
ben gelten. Einzeln betrachtet erschien es
dem Wortlaut nach also logisch, dass Kosten
für ein Erststudium nicht als vorweggenom-
mene Werbungskosten im Rahmen eines
Verlustvortrags berücksichtigt werden dür-
fen, da es typischerweise an einem Dienst-
verhältnis fehlt.
Revisionen beim Bundesfinanzhof.
Im Rah-
men der Revisionen der beiden Kläger folgte
der Bundesfinanzhof dieser Rechtsausle-
gung nicht. Er wies darauf hin, dass nicht nur
die einzelne Norm betrachtet werden dürfe,
sondern dass es hier um ein systematisches
Zusammenwirken der §§ 9 Abs. 1, 10 Abs.1
Nr. 7, 12 EStG gehe und somit das Zusam-
menwirken der jeweiligen einzelnen Vorga-
ben betrachtet werden müsse.
§ 9 Abs.1 EStG definiert Werbungskosten
als Aufwendungen zur Erwerbung, Siche-
rung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind
bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie
entstanden sind. In einem früheren Urteil
präzisierte der Bundesfinanzhof, dass es
sich um Werbungskosten handele, wenn die
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DAS QUARTAL 4.11
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